Unipolare Depression Langfassung - Versorgungsleitlinien.de
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H 3.3.9.2 Benzodiazepine<br />
Benzodiazepine haben praktisch keine anti<strong>de</strong>pressive Wirkung und sind für die Behandlung <strong>de</strong>r<br />
<strong>Depression</strong> auch nicht zugelassen. Eine Zusatzmedikation erfolgt oft in <strong>de</strong>r Absicht, die Wirklatenz<br />
von Anti<strong>de</strong>pressiva bei Vorhan<strong>de</strong>nsein von Angst, Unruhe o<strong>de</strong>r Schlaflosigkeit zu überbrücken. Die<br />
klinische Relevanz von Ergebnissen aus Vergleichsstudien, die über günstige Wirkungen einer<br />
Kombination von Benzodiazepinen mit Anti<strong>de</strong>pressiva gegenüber einer Anti<strong>de</strong>pressivamonotherapie<br />
mit geringeren Abbruchraten und einem zumin<strong>de</strong>st kurzfristig (bis zu vier Wochen) besseren<br />
Ansprechen auf die Pharmakotherapie berichten, wird wi<strong>de</strong>rsprüchlich bewertet [19; 514].<br />
Die Indikation von Benzodiazepinen muss letztlich im Individualfall geprüft und hinsichtlich möglicher<br />
Risiken (z. B. Sedierung, psychomotorische und kognitive Beeinträchtigung, Komedikation,<br />
Abhängigkeitspotential) diskutiert wer<strong>de</strong>n, die Anwendung sollte aber nur kurzfristig erfolgen (unter<br />
vier Wochen) [19; 517].<br />
H 3.3.10 Pharmakotherapie bei beson<strong>de</strong>ren Patientengruppen<br />
H 3.3.10.1 Ältere Patienten<br />
Die Wirksamkeit von Anti<strong>de</strong>pressiva ist auch für ältere Patienten belegt.<br />
Wirksamkeitsunterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n großen Anti<strong>de</strong>pressivagruppen TZA und SSRI,<br />
aber auch zu an<strong>de</strong>ren und neueren Anti<strong>de</strong>pressiva (z. B. Moclobemid, Venlafaxin, Mirtazapin) wur<strong>de</strong>n<br />
bislang nicht nachgewiesen [369; 370; 471; 595; 596] [381; 517; 597]. Bei ähnlicher Wirksamkeit<br />
orientiert sich die Substanzauswahl daher am Neben- und Wechselwirkungspotential. Dabei erfor<strong>de</strong>rn<br />
erhöhtes Nebenwirkungsrisiko und Multimedikation bei älteren Menschen (siehe auch Anhang 3:<br />
"Anti<strong>de</strong>pressiva – Wirkstoffe geglie<strong>de</strong>rt nach Wirkstoffgruppen mit Angaben zu Dosierung,<br />
Plasmaspiegel und Monitoring“ <strong>de</strong>taillierte Kenntnisse für die Pharmakotherapie <strong>de</strong>r <strong>Depression</strong> [598;<br />
599]. Eine konsequente Behandlung ist aber gera<strong>de</strong> bei älteren Menschen nötig, da nicht nur die<br />
Risiken <strong>de</strong>r Behandlung, son<strong>de</strong>rn auch die <strong>de</strong>r Nichtbehandlung erhöht sind. Eine fachärztliche<br />
Mitbetreuung dürfte in vielen Fällen empfehlenswert sein.<br />
Bei <strong>de</strong>r Analyse <strong>de</strong>r Ergebnisse klinischer Studien fin<strong>de</strong>n sich in einigen Arbeiten keine Unterschie<strong>de</strong><br />
hinsichtlich <strong>de</strong>r globalen Verträglichkeit von TZA und SSRI bei älteren Menschen, in an<strong>de</strong>ren wird<br />
über eine insgesamt bessere Verträglichkeit von SSRI berichtet [369; 370; 471; 509; 598; 600-<br />
602].<br />
Entschei<strong>de</strong>nd für die Wirkstoffauswahl, insbeson<strong>de</strong>re beim älteren Menschen, ist somit die<br />
individuelle Eignung <strong>de</strong>s Nebenwirkungsprofils. Dies gilt vor allem für die Behandlung <strong>de</strong>r oft<br />
kardial und hirnorganisch vorgeschädigten Patienten mit TZA, die nachteilige kardiovaskuläre<br />
Wirkungen (orthostatische Hypotonie) [603-605] o<strong>de</strong>r Erregungsleitungsstörungen [372; 373; 606;<br />
607] aufweisen können. Von Be<strong>de</strong>utung sind im höheren Alter weiterhin anticholinerge<br />
Nebenwirkungen <strong>de</strong>r TZA (ausgeprägt insbeson<strong>de</strong>re bei Amitriptylin, Clomipramin, Doxepin,<br />
Imipramin, Maprotilin) wie Harnverhalt bei Patienten mit benigner Prostatahyperplasie,<br />
Verwirrtheitszustän<strong>de</strong>, Delir und kognitive Beeinträchtigungen [608] (Cave: Kombination von TZA mit<br />
an<strong>de</strong>ren anticholinerg wirken<strong>de</strong>n Substanzen wie z. B. Antihistaminika, nie<strong>de</strong>rpotenten<br />
Antipsychotika). Nortriptylin scheint aufgrund seiner selteneren orthostatischen Reaktionen bei älteren<br />
Menschen besser verträglich als an<strong>de</strong>re TZA zu sein [517; 601; 602]. Ergebnisse klinischer Studien<br />
zum direkten Vergleich von TZA und SSRI bei älteren Patienten mit Herzkreislauferkrankungen sind<br />
rar. Die vorliegen<strong>de</strong>n Daten zu älteren Patienten mit <strong>Depression</strong> und chronisch ischämischer<br />
Herzerkrankung weisen beim Vergleich von Nortriptylin mit Paroxetin, wie auch anhand <strong>de</strong>r<br />
pharmakodynamischen Eigenschaften erklärbar, auf eine bessere kardiovaskuläre Verträglichkeit<br />
<strong>de</strong>s SSRI hin [601; 602; 607]. Die anticholinerge Potenz von Nortriptylin ist nach einer<br />
Doppelblindstudie bei älteren Patienten mit <strong>Depression</strong> fünffach höher als diejenige von Paroxetin<br />
[609]. An<strong>de</strong>rerseits sind auch die spezifischen Nebenwirkungen <strong>de</strong>r SSRI wie z. B. Hyponatriämie<br />
(siehe Abschnitt H 3.3.4.1 „Verträglichkeit“) und das Interaktionspotential (Cave: Multimedikation im<br />
Alter!) einiger SSRI zu beachten.<br />
Neurotoxische Reaktionen unter Lithiumsalzen sind häufiger bei älteren Patienten und insbeson<strong>de</strong>re<br />
in Kombination mit an<strong>de</strong>ren Psychopharmaka (klassische und atypische Antipsychotika) beschrieben<br />
wor<strong>de</strong>n [610; 611]. Vor allem aufgrund pharmakokinetischer Verän<strong>de</strong>rungen (Nierenfunktion,<br />
Verringerung <strong>de</strong>s Körperwassers, Komedikation mit Diuretika, kardiale Erkrankungen usw.) ist Lithium<br />
im Alter mit noch größerer Sorgfalt einzusetzen. Generell wird empfohlen, im unteren Bereich<br />
© 2009 110