Unipolare Depression Langfassung - Versorgungsleitlinien.de
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wesentlich mehr Patienten an als Placebo (zusätzliche 10-30 % bei mittelschweren bis schweren<br />
<strong>Depression</strong>en).<br />
Bei <strong>de</strong>n Untersuchungen zum zeitlichen Verlauf wur<strong>de</strong> auch <strong>de</strong>utlich, dass bei adäquater Dosierung<br />
die Wirkung <strong>de</strong>r Anti<strong>de</strong>pressiva rasch einsetzt, d. h. bei 70 % aller gebesserten Patienten<br />
innerhalb <strong>de</strong>r ersten bei<strong>de</strong>n Wochen <strong>de</strong>r Behandlung [357-361]. Beobachtet man hingegen in <strong>de</strong>n<br />
ersten bei<strong>de</strong>n Wochen <strong>de</strong>r Behandlung keinerlei Zeichen einer Besserung, so sinkt die<br />
Wahrscheinlichkeit eines therapeutischen Ansprechens auf unter 15 %. Nach drei Wochen ohne<br />
Besserung liegt diese Wahrscheinlichkeit bereits unter 10 %. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sollte<br />
die Behandlung modifiziert wer<strong>de</strong>n, entwe<strong>de</strong>r durch Dosiserhöhung, Zugabe eines an<strong>de</strong>ren<br />
Präparates o<strong>de</strong>r durch Wechsel <strong>de</strong>s Medikamentes (in Abhängigkeit vom verwen<strong>de</strong>ten<br />
Anti<strong>de</strong>pressivum, siehe Kapitel H 3.3.7 „Maßnahmen bei Nichtansprechen“; [356]. Nur so kann eine<br />
unnötig lange und letztlich nicht zielführen<strong>de</strong> Behandlung mit u. U. vielen unerwünschten<br />
Nebenwirkungen vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n [359; 362-365].<br />
H 3.3.2 Substanzklassen<br />
H 3.3.2.1 Tri- und tetrazyklische Anti<strong>de</strong>pressiva (TZA)<br />
Diese in <strong>de</strong>n 1950er-Jahren eingeführten Anti<strong>de</strong>pressiva (Anhang 3: "Anti<strong>de</strong>pressiva – Wirkstoffe<br />
geglie<strong>de</strong>rt nach Wirkstoffgruppen mit Angaben zu Dosierung, Plasmaspiegel und Monitoring“)<br />
bewirken in unterschiedlichem Ausmaß eine Hemmung <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>raufnahme von Serotonin und<br />
Noradrenalin aus <strong>de</strong>m synaptischen Spalt. Hierdurch wird die zentrale serotonerge und noradrenerge<br />
Neurotransmission erhöht. TZA haben jedoch zusätzlich eine blockieren<strong>de</strong> Wirkung auf eine Reihe<br />
von Rezeptoren, wie z. B. zentrale und periphere cholinerge, histaminerge o<strong>de</strong>r Alpha1-adrenerge<br />
Rezeptoren. Diese zusätzlichen blockieren<strong>de</strong>n Wirkungen erklären einen Großteil <strong>de</strong>r<br />
Nebenwirkungen <strong>de</strong>r TZA, wie z. B. die peripheren und zentralen anticholinergen sowie einen Teil<br />
<strong>de</strong>r kardiovaskulären Nebenwirkungen [366].<br />
Die Wirksamkeit aller Tri- und Tetrazyklika ist bei <strong>de</strong>r Behandlung akuter <strong>de</strong>pressiver Episo<strong>de</strong>n<br />
ähnlich und anhand zahlreicher placebokontrollierter Studien und Metaanalysen belegt [309; 367-<br />
371].<br />
Unerwünschte Wirkungen: (siehe Anhang 5: "Anti<strong>de</strong>pressivagruppen mit unerwünschten<br />
Arzneimittelwirkungen, Wechselwirkungen und Kontraindikationen“: Die insbeson<strong>de</strong>re bei älteren<br />
Patienten und bei Patienten mit kardialen Erkrankungen o<strong>de</strong>r bei Überdosierungen mit TZA<br />
wichtigsten kardiovaskulären Nebenwirkungen sind orthostatische Hypotonie,<br />
Erregungsleitungsstörungen und Herzfrequenzanstieg [372; 373]. Die orthostatische Hypotonie wird<br />
erklärt durch die Blocka<strong>de</strong> peripherer Alpha1-Rezeptoren und zentrale Mechanismen, wobei<br />
sekundäre Amine, wie z. B. Nortriptylin und Desipramin, mit vergleichweise seltenerem Auftreten von<br />
hypotonen Reaktionen einhergehen [373; 374]. Kardiale Erregungsleitungsstörungen bzw.<br />
Herzrhythmusstörungen sind bedingt durch chinidinartige (Typ IA-) antiarrhythmische Eigenschaften<br />
<strong>de</strong>r TZA, die zu einer elektrokardiographischen Verlängerung <strong>de</strong>r PQ-, QRS- und QT-Intervalle führen.<br />
Dies begrün<strong>de</strong>t die Notwendigkeit von EKG-Kontrollen vor und unter <strong>de</strong>r Behandlung.<br />
TZA mit starken serotoninagonistischen Eigenschaften (insbeson<strong>de</strong>re Clomipramin) können in<br />
Kombination mit an<strong>de</strong>ren Serotoninagonisten (siehe unten) ein Serotoninsyndrom auslösen. Bei<br />
Herzkreislauferkrankungen, Engwinkelglaukom, Prostatahypertophie, Pylorusstenose und an<strong>de</strong>ren<br />
ausgeprägten intestinalen Stenosen, schwerer Obstipation, kognitiven Störungen, Krampflei<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />
Verwirrtheitszustän<strong>de</strong>n/Delir wer<strong>de</strong>n TZA daher aufgrund ihres Nebenwirkungspotentials nicht<br />
empfohlen.<br />
H 3.3.2.2 Selektive Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SSRI)<br />
Die Gruppe <strong>de</strong>r selektiven Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren (bzw. Hemmer) (SSRI) (Anhang 3:<br />
"Anti<strong>de</strong>pressiva – Wirkstoffe geglie<strong>de</strong>rt nach Wirkstoffgruppen mit Angaben zu Dosierung,<br />
Plasmaspiegel und Monitoring“ erhöht die zentrale serotonerge Neurotransmission durch selektive<br />
Hemmung <strong>de</strong>r Rückaufnahme von Serotonin aus <strong>de</strong>m synaptischen Spalt. Hieraus lassen sich die<br />
anti<strong>de</strong>pressiven Wirkungen, aber auch die Nebenwirkungen erklären.<br />
© 2009 92