Unipolare Depression Langfassung - Versorgungsleitlinien.de
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Weil die Evi<strong>de</strong>nzlage vielfach noch unzureichend ist, können spezifische Empfehlungen für die<br />
Behandlung <strong>de</strong>pressiver Störungen bei Vorliegen einer komorbi<strong>de</strong>n psychischen Störung o<strong>de</strong>r<br />
körperlichen Erkrankung nur sehr eingeschränkt gegeben wer<strong>de</strong>n. Im Folgen<strong>de</strong>n wird auf die<br />
häufigsten komorbi<strong>de</strong>n Störungen eingegangen.<br />
H 3.6.1 <strong>Depression</strong> und komorbi<strong>de</strong> psychische Störungen<br />
Komorbidität von psychischen Störungen ist klinisch sehr be<strong>de</strong>utsam. Zahlreiche Untersuchungen<br />
haben gezeigt, dass das gleichzeitige Auftreten zweier o<strong>de</strong>r mehrerer komorbi<strong>de</strong>r Störungen bei<br />
einem Individuum in <strong>de</strong>r Regel <strong>de</strong>n Verlauf kompliziert und die Therapie erschwert [928]. Tritt zu einer<br />
<strong>Depression</strong> eine an<strong>de</strong>re Erkrankung hinzu o<strong>de</strong>r umgekehrt, führt dies fast zu einer Verdopplung <strong>de</strong>r<br />
jährlichen Krankheitskosten [929] bzw. einer wesentlichen Verlängerung stationärer<br />
Behandlungsdauern [930]. Bei komorbi<strong>de</strong>n Störungen kommt es überdies gehäuft zu<br />
Therapieresistenz [931; 932].<br />
Wittchen (1996) [933] und Frances et al. (1990) [934] formulierten Hypothesen dazu, welcher<br />
Zusammenhang zwischen zwei komorbi<strong>de</strong>n Störungen bestehen kann:<br />
1. Kausale Beziehung: Eine <strong>de</strong>pressive Störung kann z. B. dazu prädisponieren, eine<br />
Substanzabhängigkeit zu entwickeln.<br />
2. Wechselseitige Kausalität: Depressive Störungen scheinen z. B. gehäuft mit generalisierten<br />
Angststörungen verbun<strong>de</strong>n zu sein, umgekehrt gehen generalisierte Angststörungen gehäuft mit<br />
einer sekundären <strong>Depression</strong> einher.<br />
3. Komorbidität bei gemeinsamem ätiologischem Faktor: Eine Verlusterfahrung kann sowohl eine<br />
<strong>de</strong>pressive Störung als auch eine Angststörung auslösen.<br />
4. Komorbidität bei zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n komplexen Faktoren: Mehrere Faktoren spielen<br />
wechselseitig bei <strong>de</strong>r Entstehung einer <strong>de</strong>pressiven und einer an<strong>de</strong>ren psychischen Störung<br />
zusammen.<br />
5. Komorbidität bei überlappen<strong>de</strong>n diagnostischen Kriterien: Zwei Störungen überlappen sich<br />
hinsichtlich <strong>de</strong>r diagnostischen Kriterien, z. B. hinsichtlich Schlafstörungen und Unruhe bei<br />
<strong>Depression</strong> und Demenz.<br />
H 3.6.1.1 Angst- und Zwangsstörungen<br />
Epi<strong>de</strong>miologische, klinische und Familienstudien weisen auf eine starke Verbindung von<br />
Angststörungen und <strong>de</strong>pressiven Störungen hin. Ungefähr 50-60 % jener Patienten in<br />
Bevölkerungsstichproben, die die Kriterien für eine <strong>de</strong>pressive Episo<strong>de</strong> (Lebenszeitprävalenz)<br />
erfüllten, wiesen auch in <strong>de</strong>r Vorgeschichte o<strong>de</strong>r aktuell eine komorbi<strong>de</strong> Angststörung auf [90; 935;<br />
936]. Die am meisten verbreiteten Angststörungen unter Patienten, die irgendwann in ihrem Leben<br />
auch an einer <strong>de</strong>pressiven Störung erkrankt waren, waren spezifische Phobien, gefolgt von<br />
Agoraphobie, sozialer Phobie, Panikstörung sowie Zwangsstörung [937].<br />
Patienten mit einer primären generalisierten Angststörung weisen in 29-46 % <strong>de</strong>r Fälle auch eine<br />
komorbi<strong>de</strong> <strong>de</strong>pressive Episo<strong>de</strong> auf [937; 938]. Die Angststörung wird häufig erkannt, während<br />
<strong>de</strong>pressive Störungen bei Patienten mit gemischter Angst und <strong>Depression</strong> ten<strong>de</strong>nziell<br />
unterdiagnostiziert bleiben [939].<br />
Versuche über drei Jahrzehnte hinweg, <strong>de</strong>pressive und Angst-Syndrome diagnostisch voneinan<strong>de</strong>r zu<br />
differenzieren, stehen in Kontrast zu sich überlappen<strong>de</strong>n neurobiologischen Befun<strong>de</strong>n [940-942].<br />
Verän<strong>de</strong>rungen bei Schlaf und Konzentration, Anspannungserleben, exzessives Grübeln,<br />
Panikattacken und Befürchtungen sind sowohl <strong>de</strong>pressiven als auch Angststörungen gemeinsam<br />
([943]. Die diagnostische Konvention sieht vor, dass die Diagnose einer Angststörung nicht berechtigt<br />
ist, solange Angstsymptome nicht unabhängig von <strong>de</strong>pressiven Symptomen auftreten [95; 944].<br />
Komorbi<strong>de</strong> Syndrome aus <strong>de</strong>pressiver und Angststörung sind mit erhöhter Symptomstärke,<br />
Chronizität, stärkeren funktionellen Einschränkungen und höherem Lei<strong>de</strong>nsdruck verbun<strong>de</strong>n,<br />
außer<strong>de</strong>m mit einer schlechteren Response auf eine anti<strong>de</strong>pressive psychopharmakologische und<br />
psychotherapeutische Monotherapie und einer höheren Suizidrate [95; 97; 98; 945]. Eine<br />
ausbleiben<strong>de</strong> Remission nach einer <strong>de</strong>pressionsspezifischen Behandlung kann durch hohe<br />
© 2009 146