Unipolare Depression Langfassung - Versorgungsleitlinien.de
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freuen noch Trauer empfin<strong>de</strong>n. Dieser Zustand wird als unvergleichbar mit an<strong>de</strong>ren Zustän<strong>de</strong>n<br />
seelischen o<strong>de</strong>r körperlichen Lei<strong>de</strong>ns erlebt und stellt eine beson<strong>de</strong>re Belastung dar. 70-80 % <strong>de</strong>r<br />
Patienten berichten zusätzlich über Angstgefühle, meist ohne konkreten Angstgegenstand, son<strong>de</strong>rn<br />
als Ausdruck einer starken Unsicherheit und Zukunftsangst; hiermit steht häufig die rasche<br />
Irritierbarkeit in Verbindung und das Gefühl, durch jegliche Anfor<strong>de</strong>rung, z. B. in sozialen Kontakten,<br />
überfor<strong>de</strong>rt zu sein. Die gedrückte Stimmung selbst än<strong>de</strong>rt sich von Tag zu Tag wenig, trotz möglicher<br />
charakteristischer Tagesschwankungen, und ist meist unabhängig von <strong>de</strong>n jeweiligen<br />
Lebensumstän<strong>de</strong>n. Typisch kann ein ausgeprägtes „Morgentief“ sein, das sich im weiteren<br />
Tagesverlauf zurückbil<strong>de</strong>t; in <strong>de</strong>n Abendstun<strong>de</strong>n kann dann eine <strong>de</strong>utlich gebesserte Stimmung<br />
vorliegen.<br />
Interessenverlust und Freudlosigkeit, in diesem Symptomkontext häufig auch als Anhedonie<br />
bezeichnet, wird typischerweise von <strong>de</strong>pressiv Erkrankten geschil<strong>de</strong>rt. Der hiermit verbun<strong>de</strong>ne<br />
Rückgang <strong>de</strong>s Aktivitätsniveaus, <strong>de</strong>r nur bei leichteren Erkrankungsphasen und unter erheblichen<br />
Anstrengungen überwun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n kann, bezieht sich zumeist auf Alltagsbereiche (Haushalt,<br />
Körperpflege, Berufstätigkeit), aber auch auf bisher als erfreulich und anregend empfun<strong>de</strong>ne Hobbys<br />
und Freizeitaktivitäten.<br />
Energielosigkeit und Ermüdbarkeit stehen im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Antriebslosigkeit und sind<br />
Ausdruck für das Selbsterleben <strong>de</strong>r Patienten, kaum mehr belastbar und bereits durch<br />
Alltagsaktivitäten wie Anziehen und Waschen o<strong>de</strong>r durch soziale Kontakte erschöpft zu sein. Häufig ist<br />
damit ein Rückzug <strong>de</strong>r Patienten, z. B. ins Bett, verbun<strong>de</strong>n.<br />
Zusatzsymptome sind nach ICD-10 (siehe dort Kapitel F32):<br />
1. vermin<strong>de</strong>rte Konzentration und Aufmerksamkeit;<br />
2. vermin<strong>de</strong>rtes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen;<br />
3. Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit;<br />
4. negative und pessimistische Zukunftsperspektiven;<br />
5. Suizidgedanken, erfolgte Selbstverletzung o<strong>de</strong>r Suizidhandlungen;<br />
6. Schlafstörungen;<br />
7. vermin<strong>de</strong>rter Appetit.<br />
Die vermin<strong>de</strong>rte Konzentration und Aufmerksamkeit sowie die damit einhergehen<strong>de</strong><br />
Einschränkung im Denkvermögen und Entscheidungsschwierigkeiten bzw. Entscheidungslosigkeit<br />
zeichnet sich dadurch aus, dass <strong>de</strong>pressive Patienten sich häufig nicht in <strong>de</strong>r Lage sehen, sonst<br />
selbstverständliche Alltagsaufgaben und -aktivitäten zu bewältigen, weil sie sich nicht auf die<br />
jeweiligen äußeren Ansprüche konzentrieren können. Gleichzeitig mit dieser Denkhemmung ist das<br />
Denken Depressiver häufig durch wie<strong>de</strong>rkehren<strong>de</strong> Grübeleien, Selbstzweifeln und Ängste<br />
charakterisiert.<br />
Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit sowie ein massiver Selbstwertmangel und ein<br />
herabgesetztes Selbstvertrauen betreffen auch Patienten, die außerhalb <strong>de</strong>pressiver Episo<strong>de</strong>n ein an<br />
sich stabiles Selbstwertgefühl haben. Der Verlust bezieht sich dabei auf die selbstverständliche<br />
Gewissheit bezüglich bisheriger Kompetenzen, z. B. im Beruf, in sozialen Kontakten, in<br />
Freizeitaktivitäten o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Haushaltsführung.<br />
Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven beziehen sich darauf, dass die<br />
Zukunftserwartungen <strong>de</strong>pressiver Patienten unrealistisch negativ und pessimistisch verzerrt sind. Dies<br />
schließt in <strong>de</strong>r Regel auch Erwartungen bezüglich <strong>de</strong>r Gesundungsprognose ein, da viele Patienten<br />
glauben, ihre <strong>de</strong>pressive Störung wer<strong>de</strong> sich nicht mehr bessern. Entsprechend <strong>de</strong>r negativen Selbst-<br />
und Weltsicht wird je<strong>de</strong>r neue Tag als Belastung und die Zukunft als aussichtslos erlebt.<br />
Suizidalität zumin<strong>de</strong>st in Form von Suizidgedanken ist bei <strong>de</strong>pressiven Patienten sehr häufig. Bei<br />
vielen Patienten besteht <strong>de</strong>r Wunsch, möglichst rasch an einer unheilbaren Krankheit o<strong>de</strong>r einem<br />
Unfall zu sterben o<strong>de</strong>r es bestehen mehr o<strong>de</strong>r weniger konkrete Überlegungen über eine aktive<br />
Beendigung <strong>de</strong>s eigenen Lebens. Teils sind Suizidgedanken von Wahnsymptomen und<br />
Halluzinationen begleitet in <strong>de</strong>r Form, dass ein Patient überzeugt ist, nur durch seinen Tod seine<br />
Familie vor <strong>de</strong>m Untergang retten o<strong>de</strong>r eine große Schuld ausgleichen zu können.<br />
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