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Unipolare Depression Langfassung - Versorgungsleitlinien.de

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H 1.2.2 Epi<strong>de</strong>miologische Zusammenhänge zu sozio<strong>de</strong>mographischen<br />

Faktoren<br />

Frauen sind zahlreichen Längs- und Querschnittsstudien zufolge häufiger von <strong>de</strong>pressiven Störungen<br />

betroffen als Männer [64-66]. Ihr Erkrankungsrisiko liegt mit einer Lebenszeitprävalenz von 25 %<br />

doppelt so hoch wie bei Männern mit 12,3 % [63; 67]. Bezogen auf die Vier-Wochen-Prävalenz<br />

<strong>de</strong>pressiver Störungen liegen in Deutschland Frauen aller Altersgruppen ebenfalls <strong>de</strong>utlich vor <strong>de</strong>n<br />

gleichaltrigen Männern.<br />

Neuere Studien lassen vermuten, dass das Erkrankungsrisiko für Mädchen und junge Frauen steiler<br />

ansteigt als für ihre männlichen Altersgenossen [68]. Mädchen weisen möglicherweise schon vor<br />

Beginn <strong>de</strong>r Adoleszenz latent mehr Risikofaktoren auf (u. a. Erziehungsstilfolgen,<br />

Missbrauchserfahrungen), die dann angesichts <strong>de</strong>r vielfältigen Verän<strong>de</strong>rungen und<br />

Herausfor<strong>de</strong>rungen im Jugendalter das Entstehen einer <strong>Depression</strong> begünstigen [66; 69]. 15- bis 19jährige<br />

Frauen weisen darüber hinaus die höchste Suizidversuchsrate überhaupt auf, wobei in <strong>de</strong>n<br />

vergangenen Jahren in mehreren Län<strong>de</strong>rn eine Zunahme <strong>de</strong>r Suizidrate bei männlichen Jugendlichen<br />

zu beobachten ist [70]. Frauen weisen zu<strong>de</strong>m einen signifikant früheren Beginn einer unipolar<br />

<strong>de</strong>pressiven Ersterkrankung [71], eine längere Episo<strong>de</strong>ndauer [71] und eine höhere Rückfallgefahr für<br />

weitere <strong>de</strong>pressive Phasen auf (vgl. [66]). Aufgrund <strong>de</strong>r immer noch schlechten Datenlage – die<br />

meisten Untersuchungen gingen nur bis 65 Jahre – ist es unklar, ob sich die Geschlechtsunterschie<strong>de</strong><br />

im mittleren und höheren Lebensalter angleichen, zumal die epi<strong>de</strong>miologischen Studien unter<br />

an<strong>de</strong>rem aufgrund <strong>de</strong>r höheren somatischen Komorbidität im Alter weniger vali<strong>de</strong> Daten erbringen<br />

[72-74]. Bipolare affektive Störungen sind hingegen bei bei<strong>de</strong>n Geschlechtern gleich häufig [59; 75].<br />

<strong>Depression</strong>en treten in je<strong>de</strong>m Lebensalter auf. Allgemein sind sowohl <strong>de</strong>r Zeitpunkt <strong>de</strong>r<br />

Ersterkrankung als auch <strong>de</strong>r Verlauf <strong>de</strong>r <strong>Depression</strong> individuell sehr verschie<strong>de</strong>n (siehe Kapitel H 1.4<br />

„Verlauf und Prognose“). Das durchschnittliche Alter bei <strong>de</strong>pressiver Ersterkrankung wur<strong>de</strong> früher<br />

zwischen <strong>de</strong>m 35. und 45. Lebensjahr angenommen [76]. Der Bun<strong>de</strong>sgesundheitssurvey liefert jedoch<br />

Hinweise, dass in Deutschland 50 % aller Patienten bereits vor ihrem 31. Lebensjahr erstmalig an<br />

einer <strong>Depression</strong> erkranken [75]. Zu<strong>de</strong>m besteht die Ten<strong>de</strong>nz, dass die Erkrankungsraten in jüngeren<br />

Altersgruppen zunehmen (vgl. [77]). Darüber hinaus erkrankt ein beträchtlicher Anteil an Patienten<br />

bereits in <strong>de</strong>r Kindheit o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Adoleszenz an <strong>de</strong>r ersten <strong>de</strong>pressiven Episo<strong>de</strong> [78]. In einer 10-<br />

Jahres-Längsschnittstudie konnte ein be<strong>de</strong>utsamer Anstieg <strong>de</strong>r an unipolarer <strong>Depression</strong> erkrankten<br />

Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 18 Jahren nachgewiesen wer<strong>de</strong>n [79]. Ergebnisse nationaler<br />

und internationaler Studien berichten von Prävalenzen zwischen 15-20 % bis zur Vollendung <strong>de</strong>s 18.<br />

Lebensjahres mit einem starken Anstieg <strong>de</strong>r Prävalenz in <strong>de</strong>r Pubertät [80; 81].<br />

Zwölf-Monatsprävalenzschätzungen von <strong>de</strong>pressiven Störungen bei älteren Menschen in Heimen<br />

und an<strong>de</strong>ren Institutionen erreichen Werte zwischen 15 % und 25 % [82]. Bei Dysthymien kann über<br />

die Lebensspanne hinweg zunächst eine stetige Zunahme, dann jedoch ab <strong>de</strong>m 30. Lebensjahr eine<br />

allmähliche und ab <strong>de</strong>m 65. Lebensjahr eine <strong>de</strong>utliche Abnahme festgestellt wer<strong>de</strong>n [17]. Dennoch<br />

sind im höheren Lebensalter <strong>Depression</strong>en die häufigste psychische Störung, wobei eine hohe<br />

Komorbidität mit körperlichen Erkrankungen und Funktionseinschränkungen besteht [83; 84]. Die<br />

Suizidrate (vollen<strong>de</strong>te Suizi<strong>de</strong>) steigt kontinuierlich mit <strong>de</strong>m Lebensalter und ist bei <strong>de</strong>n Hochbetagten<br />

am höchsten. Generell, aber vor allem im höheren Lebensalter ist die komplexe Interaktion zwischen<br />

genetischer Disposition, frühkindlichen Erfahrungen, somatischen Erkrankungen (vor allem vaskulärer<br />

Art) und psychosozialen Faktoren (Armut, Verwitwung, Vereinsamung, gesellschaftlicher<br />

Statusverlust) für das Entstehen sowie <strong>de</strong>n Verlauf <strong>de</strong>pressiver Störungen von beson<strong>de</strong>rer Relevanz<br />

[85-88]. So kann z. B. die größere Häufigkeit von <strong>Depression</strong>en in Alten- und Pflegeheimen durchaus<br />

eine Folge <strong>de</strong>r durch eine vorbestehen<strong>de</strong> <strong>de</strong>pressive Störung gestörten bzw. beeinträchtigen sozialen<br />

Integration sein und nicht (allein) die Folge z. B. <strong>de</strong>r Verhältnisse im Heim.<br />

Der Familienstand und das Vorhan<strong>de</strong>nsein bzw. Fehlen einer vertrauensvollen persönlichen<br />

Beziehung sind als Protektiv- bzw. Risikofaktoren bei unipolaren <strong>Depression</strong>en gesichert [17; 89].<br />

Getrennte, geschie<strong>de</strong>ne und verwitwete Personen und solche ohne enge Bezugspersonen erkranken<br />

eher. So fan<strong>de</strong>n Jacobi et al. (2004) [63] eine <strong>de</strong>utlich erhöhte Zwölf-Monatsprävalenz für diese<br />

Gruppe von 22,6 % im Vergleich zu Verheirateten (9,8 %).<br />

© 2009 49

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