Unipolare Depression Langfassung - Versorgungsleitlinien.de
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Die Auswahl <strong>de</strong>s Medikaments vor einer geplanten Schwangerschaft o<strong>de</strong>r während <strong>de</strong>r<br />
Schwangerschaft bzw. während <strong>de</strong>s Stillens nach <strong>de</strong>r Geburt richtet sich vor allem danach, inwieweit<br />
die Substanz teratogen bzw. in <strong>de</strong>r Muttermilch nachweisbar und daher für das Kind nachteilig sein<br />
könnte. Neben Lithium, das zu Herzfehlbildungen, insbeson<strong>de</strong>re Ebstein-Anomalien beim Embryo<br />
führen kann, besitzen die Antiepileptika Valproinsäure und Carbamazepin teratogene Effekte, wie<br />
Fehlbildungen am Herzen und Skelett [624; 625].<br />
Für TZA wur<strong>de</strong>n bisher keine Zusammenhänge zwischen einer pränatalen Gabe und Geburts<strong>de</strong>fekten<br />
beim Kind gefun<strong>de</strong>n, vereinzelt jedoch kurzzeitig nach <strong>de</strong>r Geburt bestehen<strong>de</strong> Verhaltenssymptome<br />
wie Unruhe, Hypererregbarkeit und Probleme beim Stillen [626; 627]. Beim Einsatz von tri- und<br />
tetrazyklischen Substanzen ist jedoch <strong>de</strong>ren anticholinerge und hypotensive Nebenwirkung relevant.<br />
Auch für SSRI wer<strong>de</strong>n im Allgemeinen keine teratogenen Wirkungen gefun<strong>de</strong>n [628-633].<br />
Allerdings zeigen zwei Studien nach einer Gabe von Paroxetin im ersten Trimester <strong>de</strong>r<br />
Schwangerschaft einerseits überzufällig häufig kardiovaskuläre [629] bzw. rechtsventrikuläre Defekte<br />
[630]. Demgegenüber fand eine weitere Studie [634] diese Zusammenhänge bei Gabe von Paroxetin<br />
nicht. In einer Metaanalyse wird Paroxetin, das im ersten Trimester eingenommen wird, ebenfalls mit<br />
kardialen Missbildungen in Verbindung gebracht [635], während dies in einer an<strong>de</strong>ren Metaanalyse<br />
nicht gezeigt wer<strong>de</strong>n konnte [636].<br />
Die Gabe von SSRI im dritten Trimester scheint zu<strong>de</strong>m mit einem dreifach erhöhten Risiko für<br />
neonatale Verhaltenssyndrome wie Atemnot, Irritabilität und Problemen bei <strong>de</strong>r Nahrungsaufnahme<br />
verbun<strong>de</strong>n zu sein, wobei diese im Allgemeinen mäßig ausgeprägt und selbstlimitierend sind und vor<br />
allem mit Paroxetin assoziiert scheinen [637-640].<br />
Auf beschränkter Studienbasis gibt es für Mirtazapin, Bupropion und Venlafaxin keine Hinweise auf<br />
teratogene Wirkung, während Duloxetin bislang kaum untersucht ist [632; 641; 642].<br />
Die Geburt bei anti<strong>de</strong>pressiv medizierten Frauen sollte möglichst in einer Geburtsklinik mit<br />
angeschlossener Neonatologie stattfin<strong>de</strong>n, so dass beim Auftreten von Absetzeffekten und<br />
Nebenwirkungen <strong>de</strong>r Medikation beim Kind je<strong>de</strong>rzeit eine intensive Überwachung möglich ist.<br />
Unter einer guten Nutzen-Risiko-Abwägung ist Stillen grundsätzlich mit einer anti<strong>de</strong>pressiven<br />
Medikation vereinbar. In <strong>de</strong>r Stillzeit erscheinen die zuvor genannten trizyklischen Anti<strong>de</strong>pressiva und<br />
von <strong>de</strong>n SSRI Sertralin und Paroxetin nur in geringer Konzentration in <strong>de</strong>r Milch, während Citalopram<br />
und Fluoxetin im Plasma <strong>de</strong>s Kinds nachweisbar sind [643]. Plasmaserumspiegel sind vor allem auch<br />
für Lithium nachweisbar [644]. Doxepin ist nach Fallberichten mit einer Atem<strong>de</strong>pression <strong>de</strong>s Säuglings<br />
assoziiert gewesen [645]. Im Zweifelsfall ist ein embryonaltoxikologisches Informationszentrum zu<br />
Rate zu ziehen [646].<br />
Schließlich könnte bei Patientinnen, die bislang unbehan<strong>de</strong>lt sind o<strong>de</strong>r pharmakotherapeutisch<br />
behan<strong>de</strong>lt wur<strong>de</strong>n, alternativ auch <strong>de</strong>r ergänzen<strong>de</strong> Beginn einer Psychotherapie o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
Verfahrenswechsel zur Psychotherapie (vgl. Kapitel H 3.4 „Psychotherpaie“) erwogen wer<strong>de</strong>n.<br />
H 3.3.10.4 <strong>Depression</strong> in <strong>de</strong>r Perimenopause<br />
Affektive Störungen wer<strong>de</strong>n bei Frauen im mittleren Lebensalter oft <strong>de</strong>n hormonellen<br />
Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Perimenopause zugeschrieben. Eine Fülle von Untersuchungen zeigt jedoch,<br />
dass auch in diesem Lebensabschnitt vorwiegend psychosoziale Faktoren mit <strong>de</strong>m Auftreten<br />
affektiver Störungen assoziiert sind. Dies und auch das Fehlen aussagekräftiger und methodisch<br />
guter Studien erlauben <strong>de</strong>rzeit keine Empfehlung zu Hormontherapien bzw. so genannten<br />
Hormonersatztherapien zur <strong>Depression</strong>sbehandlung [647-649].<br />
H 3.3.10.5 Wahnhafte <strong>Depression</strong><br />
Schwere <strong>de</strong>pressive Störungen können von psychotischen Symptomen, wie Wahni<strong>de</strong>en und/o<strong>de</strong>r<br />
Halluzinationen begleitet sein. Die Wahninhalte sind typischerweise von <strong>de</strong>r <strong>de</strong>pressiven Stimmung<br />
bestimmt und drehen sich häufig um Themen, wie Versündigung, Verarmung, Krankheit o<strong>de</strong>r Schuld<br />
(siehe Kapitel H 2 „Diagnostik“). Bei wahnhaften <strong>Depression</strong>en wird oft die Kombination von<br />
Anti<strong>de</strong>pressiva mit einem Antipsychotikum angewandt [19; 517]. Diese Empfehlung ist auf die<br />
allgemeinen klinischen Erfahrungen und weniger auf stringente klinische Studien begrün<strong>de</strong>t. Bei<br />
Patienten mit wahnhafter <strong>Depression</strong> ist eine fachpsychiatrische Mitbetreuung notwendig.<br />
© 2009 112