Unipolare Depression Langfassung - Versorgungsleitlinien.de
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H 3.5 Nichtmedikamentöse somatische Therapieverfahren<br />
H 3.5.1 Elektrokonvulsive Therapie<br />
H 3.5.1.1 Indikation und Wirksamkeit von elektrokonvulsive Therapie in <strong>de</strong>r<br />
Akutbehandlung<br />
Die elektrokonvulsive Therapie (Elektrokrampftherapie = EKT) basiert darauf, dass in Narkose<br />
und unter Muskelrelaxation durch eine kurze elektrische Reizung <strong>de</strong>s Gehirns ein generalisierter<br />
Krampfanfall ausgelöst wird. Der genaue Wirkmechanismus ist noch nicht geklärt. Die Wirkung beruht<br />
nach heutigem Erkenntnisstand auf neurochemischen Verän<strong>de</strong>rungen verschie<strong>de</strong>ner<br />
Transmittersysteme.<br />
Die Durchführung <strong>de</strong>r EKT erfolgt im Beisein eines Anästhesisten in Kurznarkose und<br />
Muskelrelaxation sowie EKG-Monitorkontrolle. Die elektrische Stimulation wird über eine Dauer von<br />
0,5- bis 8 Sekun<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>r nichtdominanten in <strong>de</strong>r Regel rechten Hemisphäre mittels Elektro<strong>de</strong>n<br />
durchgeführt. Da eine bilaterale Stimulation wirksamer ist, wird sie bei therapieresistenten<br />
<strong>Depression</strong>en bevorzugt, obwohl sie mit einer höheren Rate an kognitiven Nebenwirkungen<br />
einhergeht [833]. Das Monitoring <strong>de</strong>r Anfallsdauer und <strong>de</strong>r Behandlungsparameter wird dokumentiert.<br />
Eine EKT wird nach ausführlicher Aufklärung und schriftlicher Einverständniserklärung <strong>de</strong>r<br />
Patienten durchgeführt. Dabei ist sicherzustellen, dass Patienten die Sachlage sowie die Be<strong>de</strong>utung<br />
und Tragweite <strong>de</strong>r vorzunehmen<strong>de</strong>n Behandlung hinreichend beurteilen können<br />
(Einwilligungsfähigkeit). Bei nicht einwilligungsfähigen Patienten kann die EKT auch auf <strong>de</strong>r<br />
Grundlage einer Betreuung durchgeführt wer<strong>de</strong>n.<br />
Während <strong>de</strong>r Akutbehandlung wird die EKT üblicherweise 2- bis 3-Mal pro Woche bis zu einem<br />
Zeitraum von sechs Wochen angewandt. Unter einer weniger häufigen Anwendung können zwar die<br />
unmittelbaren kognitiven Nebenwirkungen verringert sein, jedoch verzögert sich dann auch eine<br />
Response [834]. Verglichen mit einer bilateralen Elektro<strong>de</strong>nplatzierung führt eine unilaterale<br />
Platzierung mit einer überschwelligen Dosierung zu weniger transienten kognitiven Nebenwirkungen<br />
(vgl. Kapitel 3.5.1.2 „Nebenwirkungen einer EKT-Behandlung“); die unilaterale Behandlung ist jedoch<br />
möglicherweise bei einigen Patienten weniger wirksam [835].<br />
Nicht selten bestehen auf Seiten von Patienten und <strong>de</strong>r Angehörigen Be<strong>de</strong>nken gegenüber einer<br />
EKT. Ein systematischer Review von Rose et al. (2003) [836] zeigte jedoch, dass in manchen Studien<br />
über 80 % <strong>de</strong>rjenigen Patienten, die EKT erhalten hatten, mit <strong>de</strong>m Behandlungserfolg zufrie<strong>de</strong>n waren<br />
und die kognitiven Nebenwirkungen wie eine vorübergehen<strong>de</strong> Gedächtnisstörung eher gering<br />
einschätzten, so dass sie die Behandlung im Fall einer Wie<strong>de</strong>rerkrankung wie<strong>de</strong>rholen wür<strong>de</strong>n.<br />
Teilweise lagen in <strong>de</strong>n berücksichtigten Studien die Zufrie<strong>de</strong>nheitsraten bei lediglich 30%.<br />
Metho<strong>de</strong>nkritisch merken Rose et al. (2003) jedoch an, dass die zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Daten häufig<br />
direkt nach <strong>de</strong>r Behandlung erhoben wur<strong>de</strong>n und prospektive Studien<strong>de</strong>signs zur<br />
Patientenzufrie<strong>de</strong>nheit mit EKT bislang fehlen.<br />
Die bisher vorliegen<strong>de</strong>n Daten zeigen, dass die EKT vor allem bei älteren Patienten eine gute<br />
Wirksamkeit hat und eine gute Behandlungsalternative sein kann, insbeson<strong>de</strong>re bei solchen, die<br />
aufgrund ihres hohen Lebensalters und/o<strong>de</strong>r körperlicher Begleiterkrankungen z. B. schnell<br />
Nebenwirkungen unter Pharmakotherapie entwickeln. Es müssen jedoch technische Modifikationen<br />
und die höhere Rate an kognitiven Störungen bei vorbestehen<strong>de</strong>n hirnorganischen Störungen<br />
beachtet wer<strong>de</strong>n [837-840].<br />
Die EKT wird überwiegend zur Behandlung therapieresistenter <strong>Depression</strong> (min<strong>de</strong>stens zwei lege<br />
artis durchgeführte Behandlungen mit Anti<strong>de</strong>pressiva unterschiedlicher Wirkstoffklassen haben zu<br />
keiner Besserung geführt) angewandt, kann jedoch auch als Behandlungsverfahren bei schwerer<br />
<strong>de</strong>pressiver Episo<strong>de</strong> mit psychotischen Symptomen, schwerer <strong>de</strong>pressiver Episo<strong>de</strong> mit<br />
psychomotorischer Verlangsamung, bei bedrohlichem <strong>de</strong>pressionsbedingtem Gewichtsverlust o<strong>de</strong>r<br />
bei massiv suizidalen Patienten in Betracht gezogen wer<strong>de</strong>n [19-21; 841-844].<br />
© 2009 138