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Unipolare Depression Langfassung - Versorgungsleitlinien.de

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Placebowirkung eine geringere Rolle spiele, ein guter Hinweis auf die pharmakologische Effektivität <strong>de</strong>r<br />

Anti<strong>de</strong>pressiva.<br />

Die Berichte <strong>de</strong>s Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit (IQWiG) zur Nutzenbewertung von Arzneimitteln<br />

tragen <strong>de</strong>m Umstand eines möglichen Publikationbias’ dadurch Rechnung, dass sie unpublizierte Daten<br />

i<strong>de</strong>ntifizieren und in die Metaanalysen mit einbeziehen. Die systematische Überprüfung <strong>de</strong>r Effektivität von<br />

Reboxetin in <strong>de</strong>r <strong>Depression</strong>sbehandlung durch das IQWiG ergab keinen klaren Wirksamkeitsnachweis [41,<br />

42]. Die Erstellung <strong>de</strong>s IQWiG-Berichts war zu<strong>de</strong>m dadurch erschwert, dass die Firma Pfizer Studien zu<br />

Reboxetin über einen langen Zeitraum zurückhielt. Auch beim systematischen, metaanalytischen Vergleich<br />

von zwölf neuen Anti<strong>de</strong>pressiva durch Cipriani et al. 2009 [43] lan<strong>de</strong>te Reboxetin sowohl bezüglich <strong>de</strong>r<br />

Wirksamkeit, als auch bezüglich <strong>de</strong>r Verträglichkeit auf <strong>de</strong>m letzten Platz. Diese Erkenntnisse veranlassten<br />

<strong>de</strong>n Gemeinsamen Bun<strong>de</strong>sausschuss (GBA) zu beschließen, dass die Kosten einer Reboxetin-Medikation<br />

nicht mehr von <strong>de</strong>n gesetzlichen Krankenkassen erstattet wer<strong>de</strong>n sollen. Diese Regelung trat zum 1. April<br />

2011 in Kraft. Reboxetin ist aber für Selbstzahler weiterhin als zugelassenes Medikament erhältlich.<br />

Aufgrund <strong>de</strong>r geschil<strong>de</strong>rten Datenlage wird <strong>de</strong>r Einsatz von Reboxetin zur <strong>Depression</strong>sbehandlung nicht<br />

empfohlen.<br />

Die Aussagekraft randomisierter kontrollierter Studien (RCTs), insbeson<strong>de</strong>re zum Nachweis <strong>de</strong>r<br />

Wirksamkeit psychotherapeutischer Verfahren, wird seit längerem in Deutschland kontrovers diskutiert<br />

(z. B. im Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie (gem. § 11 PsychThG) o<strong>de</strong>r im Unterausschuss<br />

Psychotherapie <strong>de</strong>s Gemeinsamen Bun<strong>de</strong>sausschuss). Zwar ist unbestritten, dass RCTs i. d. R. zu <strong>de</strong>n<br />

reliabelsten Aussagen hinsichtlich <strong>de</strong>r Wirksamkeit (efficacy) von Therapieverfahren führen, die<br />

Aussagekraft <strong>de</strong>r so gewonnenen Zusammenhänge für die klinische Versorgung (effectiveness) wird aber<br />

kritisch gesehen.<br />

Insbeson<strong>de</strong>re hinsichtlich <strong>de</strong>s Paradigmas <strong>de</strong>r randomisierten Zuweisung in Studien wer<strong>de</strong>n Schwierigkeiten<br />

gesehen, die die Umsetzbarkeit in die Praxis erschweren können [44; 45]. Im Bereich <strong>de</strong>r Psychotherapie<br />

haben die „Passung“, d. h. die vertrauensvolle und emotional tragfähige Beziehung zwischen Patient<br />

und Therapeut, und auch die Präferenz <strong>de</strong>r Patienten für ein bestimmtes therapeutisches Vorgehen im<br />

klinischen Alltag eine hohe Be<strong>de</strong>utung. Weiter ist die fehlen<strong>de</strong> Möglichkeit einer „Verblindung“ relevant,<br />

da es auch in <strong>de</strong>r Psychotherapieforschung einen starken „Allegiance-Effekt“ gibt, wonach die<br />

therapeutische Orientierung <strong>de</strong>s Forschen<strong>de</strong>n das Studienergebnis beeinflusst (vgl. Wampold, 2001 [46]<br />

[zum Allegiance-Effekt in <strong>de</strong>r Psychotherapieforschung], aber auch Perlis et al., 2005 [47] [zum<br />

Sponsoreneffekt in <strong>de</strong>r Pharmaforschung]).<br />

Ein weiteres Problem wird in <strong>de</strong>r Entwicklung eines adäquaten Kontroll<strong>de</strong>signs für Psychotherapiestudien<br />

gesehen. Die Kontrolle durch an<strong>de</strong>re psychotherapeutische Verfahren ist wegen <strong>de</strong>s, verglichen mit<br />

Pharmastudien, ungleich höheren Aufwan<strong>de</strong>s (Gewinnung angemessen ausgebil<strong>de</strong>ter und supervidierter<br />

Therapeuten in einem nicht primär verfügbaren Therapieverfahren) häufig schwierig. Metaanalysen zu<br />

zahlreichen randomisiert-kontrollierten Studien zeigen, dass <strong>de</strong>r Effekt einer Psychotherapie tatsächlich mit<br />

<strong>de</strong>m Grad <strong>de</strong>r „Aktivität“ <strong>de</strong>r Kontrollbedingung variiert. So ist er im Vergleich zu einer Wartegruppe o<strong>de</strong>r zu<br />

einem Medikamentenplacebo höher als zu einer aktiven Kontrolle beispielsweise mit Anti<strong>de</strong>pressiva o<strong>de</strong>r<br />

unsystematischen, unterstützen<strong>de</strong>n Gesprächen [48; 49]. Bezüglich <strong>de</strong>r Effektivität einer Psychotherapie<br />

besteht kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Kontrollbedingungen Warteliste o<strong>de</strong>r<br />

Medikamentenplacebo [49].<br />

Die For<strong>de</strong>rung nach versorgungsnahen kontrollierten o<strong>de</strong>r Feldstudien, die Praxisbedingungen besser<br />

abbil<strong>de</strong>n, trägt dabei auch <strong>de</strong>r Tatsache Rechnung, dass die in RCTs aufgenommenen Patientenkollektive in<br />

<strong>de</strong>r Regel – im Vergleich zur ambulanten psychotherapeutischen Praxis in <strong>de</strong>r BRD – <strong>de</strong>utlich kürzer<br />

behan<strong>de</strong>lt wur<strong>de</strong>n. Ein weiteres Problem besteht darin, dass zurzeit kaum Studien vorliegen, die nicht nur<br />

die Wirksamkeit unter kontrollierten Bedingungen (efficacy), son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>n Nutzen unter<br />

Versorgungsbedingungen (effectiveness) untersuchen sowie über ausreichend lange Behandlungs-<br />

und Katamnesezeiträume verfügen (dies gilt im Übrigen auch für Studien zur Anti<strong>de</strong>pressivatherapie).<br />

Daher erscheint es sinnvoll, neben randomisiert-kontrollierten Studien auch an<strong>de</strong>re Forschungs<strong>de</strong>signs, z.B.<br />

ursprüngliche Fallserien und Versorgungsstudien zur Überprüfung <strong>de</strong>s Nutzens einer Therapie in <strong>de</strong>r<br />

Routineversorgung in die Bewertung <strong>de</strong>s Gesamtnutzens einzelner Psychotherapieverfahren einzubeziehen<br />

[50; 51; 51; 52]. Schließlich wird angeführt, dass in <strong>de</strong>r Versorgungspraxis die Mehrheit <strong>de</strong>r Patienten unter<br />

vielfältigen, zu berücksichtigen<strong>de</strong>n komorbi<strong>de</strong>n Erkrankungen lei<strong>de</strong>n, die eine manualisierte Durchführung<br />

<strong>de</strong>r Therapieverfahren erschweren können [53; 54].<br />

Diesen möglichen Einschränkungen stehen umfassen<strong>de</strong> systematische Analysen von<br />

Psychotherapiestudien gegenüber [55], die zeigen, dass durch RCTs vali<strong>de</strong> Aussagen zur Wirksamkeit<br />

von psychotherapeutischen Verfahren gemacht wer<strong>de</strong>n können, d. h. die Frage beantworten können,<br />

© 2009 24

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