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Unipolare Depression Langfassung - Versorgungsleitlinien.de

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H 3.3.2.6 Phytotherapeutika<br />

Bei <strong>de</strong>r Behandlung <strong>de</strong>pressiver Störungen mit Phytopharmaka spielen nur Johanniskrautextrakte<br />

(Hypericum perforatum) aufgrund ihrer häufigen Verordnung in Deutschland eine Rolle [15]. Sie<br />

wer<strong>de</strong>n häufig wegen ihrer vermeintlich geringeren Nebenwirkungen für die Behandlung leichter bis<br />

mittelschwerer <strong>Depression</strong>en eingesetzt.<br />

Die Wirksamkeit von Johanniskraut in <strong>de</strong>r Therapie <strong>de</strong>r <strong>Depression</strong> ist allerdings umstritten. Es gibt<br />

sowohl klinische Studien, die eine Wirksamkeit belegen [381; 450; 451], als auch solche, die keine<br />

Überlegenheit gegenüber Placebo zeigen [452-455]. Eine neue Metaanalyse kommt zum Ergebnis,<br />

dass Johanniskrautextrakte bei <strong>de</strong>r Behandlung von leichter und mittelgradiger <strong>de</strong>pressiver<br />

Symptomatik wirksam sind. Für schwere o<strong>de</strong>r chronisch verlaufen<strong>de</strong> <strong>Depression</strong>en sind keine<br />

Effekte belegt [456]. Hauptproblem ist, dass für diese pflanzlichen Präparationen erhebliche<br />

Standardisierungsprobleme mit stark schwanken<strong>de</strong>n Dosen <strong>de</strong>r möglicherweise bioaktiven<br />

Substanzen (u. a. Hyperforin und Hypericin) bestehen [457; 458]. So ist nicht hinreichend bekannt,<br />

welche Konstituenten <strong>de</strong>s Johanniskrautextrakts bei welchen Konzentrationen über welchen<br />

Wirkungsmechanismus für die anti<strong>de</strong>pressive Wirkung verantwortlich sind. Daher sollten nur<br />

Präparate zur Therapie einer leichten und mittelgradigen <strong>de</strong>pressiven Symptomatik eingesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n, für die eine klinische Wirksamkeit durch eigene Studien belegt ist.<br />

Unerwünschte Wirkungen (siehe auch Tabelle im Anhang 5: "Anti<strong>de</strong>pressivagruppen mit<br />

unerwünschten Arzneimittelwirkungen, Wechselwirkungen und Kontraindikationen“):<br />

Johanniskrautpräparate haben sich in <strong>de</strong>n publizierten Studien als sehr gut verträglich erwiesen,<br />

obwohl die Ergebnisse <strong>de</strong>r meist kleinen Studien für seltenere und evtl. auch schwerere Neben- o<strong>de</strong>r<br />

Wechselwirkungen nur von sehr limitierter Aussagekraft sind [459]. Zur oft erwähnten Phototoxizität<br />

existieren nur vereinzelte Berichte. Von gesicherter klinischer Relevanz ist jedoch, dass Johanniskraut<br />

als Induktor von Isoenzymen <strong>de</strong>s Cytochroms P450 zur Wirkungsbeeinträchtigung (inkl. oraler<br />

Kontrazeption) und ggf. bei Absetzen zur erhöhten Toxizität zahlreicher Wirkstoffe mit geringer<br />

therapeutischer Breite, wie z. B. Ciclosporin, Tacrolimus, Digoxin, Theophyllin, Anti<strong>de</strong>pressiva<br />

(Amitriptylin, Nortriptylin), Antikoagulantien, Antikonvulsiva und mehreren HIV-wirksamen<br />

Medikamenten, führen kann [460] [461-464] (vgl. siehe Tabelle im Anhang 5: "Anti<strong>de</strong>pressivagruppen<br />

mit unerwünschten Arzneimittelwirkungen, Wechselwirkungen und Kontraindikationen“.<br />

Wegen <strong>de</strong>r Unsicherheiten über die richtige Dosierung, <strong>de</strong>r variablen Zusammensetzung <strong>de</strong>r Extrakte<br />

und insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r möglichen schweren Wechselwirkungen mit an<strong>de</strong>ren verschriebenen<br />

Medikamenten wird Johanniskraut nicht als chemischen Anti<strong>de</strong>pressiva überlegen angesehen [232].<br />

Da die Präparate aber von manchen Patienten als „natürliches Produkt” eher akzeptiert wer<strong>de</strong>n als<br />

chemisch <strong>de</strong>finierte Anti<strong>de</strong>pressiva, kann einer solchen Patientenpräferenz bei leichten bis<br />

mittelschweren <strong>Depression</strong>en als erster Behandlungsversuch gefolgt wer<strong>de</strong>n. Es ist wichtig, Patienten,<br />

die Johanniskraut einnehmen möchten, über die unterschiedliche Wirkstärke <strong>de</strong>r verfügbaren<br />

Zubereitungen und die sich daraus ergeben<strong>de</strong>n Unsicherheiten <strong>de</strong>r Dosierung zu informieren.<br />

Außer<strong>de</strong>m ist eine Aufklärung über mögliche schwere Wechselwirkungen von Johanniskraut mit<br />

an<strong>de</strong>ren Medikamenten (einschließlich oraler Kontrazeptiva, Antikoagulantien und Antiepileptika)<br />

notwendig, ebenso eine ärztliche Betreuung von Patienten, die Johanniskraut einnehmen [465].<br />

H 3.3.3 Vergleichen<strong>de</strong> Wirksamkeit <strong>de</strong>r Substanzklassen<br />

Neben placebokontrollierten Studien zur Prüfung <strong>de</strong>r Wirksamkeit fin<strong>de</strong>n sich auch Vergleichsstudien<br />

und Metaanalysen zum Wirksamkeitsvergleich zwischen verschie<strong>de</strong>nen Anti<strong>de</strong>pressiva (z. B. [466].<br />

Sichere Nachweise zur Überlegenheit eines Wirkstoffes o<strong>de</strong>r einer Wirkstoffgruppe im ambulanten<br />

Bereich können jedoch aus <strong>de</strong>n zahlreichen Vergleichsstudien zwischen Prüf- und Standardsubstanz,<br />

die meist nur die Nichtunterlegenheit prüfen, kaum abgeleitet wer<strong>de</strong>n. Die Unterschie<strong>de</strong> hinsichtlich<br />

<strong>de</strong>r unerwünschten Arzneimittelwirkungen sind allerdings be<strong>de</strong>utsam. Die neueren SSRI sind in <strong>de</strong>r<br />

Regel besser verträglich und weniger toxisch als die älteren TZA, die im Vergleich zu an<strong>de</strong>ren<br />

Anti<strong>de</strong>pressiva eine gleiche Wirksamkeit aufweisen [19]. An<strong>de</strong>rerseits liegen zu <strong>de</strong>n älteren<br />

Präparaten meist umfassen<strong>de</strong>re Erfahrungen bezüglich seltener Nebenwirkungen und zur Höhe<br />

therapeutisch wirksamer Plasmaspiegel (Serumkonzentrationen) vor.<br />

In einer Metaanalyse wird die Wirksamkeit <strong>de</strong>r SSRI mit an<strong>de</strong>ren Anti<strong>de</strong>pressiva (vornehmlich<br />

trizyklische Anti<strong>de</strong>pressiva) im ambulanten Bereich verglichen. Eingeschlossen waren 98<br />

randomisiert-kontrollierten Studien mit insgesamt 9 554 Patienten (5 044 unter SSRI und 4 510 unter<br />

an<strong>de</strong>ren Anti<strong>de</strong>pressiva). Dabei zeigte sich kein klinisch signifikanter Unterschied hinsichtlich <strong>de</strong>r<br />

© 2009 96

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