Unipolare Depression Langfassung - Versorgungsleitlinien.de
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Sowohl im ambulanten wie im stationären Bereich wird bei Vorliegen von Suizidalität häufig ein<br />
Nonsuizidvertrag zwischen <strong>de</strong>m Therapeuten und <strong>de</strong>m Patienten geschlossen. Auch wenn keine<br />
empirischen Daten vorliegen, die <strong>de</strong>n präventiven Nutzen dieses Vorgehens belegen könnten, sind<br />
viele Praktiker <strong>de</strong>r Ansicht, dass ein Nonsuizidvertrag sinnvoll ist und dazu beitragen kann, die<br />
Risikoabschätzung transparenter zu gestalten [1133]. Der Patient verspricht, bis zu einem genau<br />
festgelegten Zeitpunkt (meist bis zur nächsten Sitzung, die spätestens eine Woche später stattfin<strong>de</strong>n<br />
soll) keinen Suizidversuch zu unternehmen. Sinnvoll ist dabei auch, genau zu vereinbaren, wohin sich<br />
<strong>de</strong>r Patient bei einer Zuspitzung seines Zustan<strong>de</strong>s und beim Ansteigen akuter Suizidgefahr konkret<br />
wen<strong>de</strong>n kann. Oft wird diese Vereinbarung auch schriftlich geschlossen. Ein <strong>de</strong>rartiges Abkommen<br />
sollte als Maßnahme zur Stärkung <strong>de</strong>s therapeutischen Bündnisses gesehen wer<strong>de</strong>n und dazu<br />
beitragen, Selbstkontrolle und Erleben von Selbstwirksamkeit beim Patienten zu stärken [1133]. Der<br />
Nutzen von Nonsuizidverträgen wird in<strong>de</strong>s auch kritisch diskutiert: Sie sollten <strong>de</strong>n Therapeuten nicht in<br />
Sicherheit wiegen, d. h. Suizi<strong>de</strong> kommen trotz Nonsuizidvertrag vor. Althaus & Hegerl (2004) [1133]<br />
schlagen vor, stets im Einzelfall zu prüfen, inwieweit ein Nonsuizidvertrag sinnvoll sein kann; eine<br />
grundsätzlich vorhan<strong>de</strong>ne Bündnis- und Beziehungsfähigkeit ist dafür Voraussetzung. Ist diese nicht<br />
gegeben, ist in <strong>de</strong>r Regel eine stationäre Einweisung in eine psychiatrisch-psychotherapeutische Klinik<br />
indiziert.<br />
Empfehlung/Statement<br />
3-93<br />
Das kurzfristige Ziel von Kriseninterventionen o<strong>de</strong>r Psychotherapie bei akuter<br />
Suizidalität besteht in intensiver Kontaktgestaltung und <strong>de</strong>r aktiven unmittelbaren<br />
Unterstützung und Entlastung bis zum Abklingen <strong>de</strong>r Krise. Eine tragfähige<br />
therapeutische Beziehung kann bei suizidgefähr<strong>de</strong>ten Patienten per se<br />
suizidpräventiv wirken.<br />
3-94<br />
Bei suizidgefähr<strong>de</strong>ten Patienten mit einer <strong>de</strong>pressiven Episo<strong>de</strong> sollte eine<br />
Psychotherapie in Betracht gezogen wer<strong>de</strong>n, die zunächst auf die Suizidalität<br />
fokussiert.<br />
Empfehlungsgrad<br />
Statement<br />
H 3.7.6 Suizidprävention durch Nachsorge und Kontaktangebote<br />
Zur Suizidprävention durch Nachsorge und Kontaktangebote liegen bislang nur wenige Studien<br />
vor: Motto (1976) [1170] und Motto et al. (1981) [1171] zeigten in einer randomisierten Studie, dass<br />
Patienten nach Suizidversuch seltener zu erneuten suizidalen Handlungen neigen, wenn sie in <strong>de</strong>r<br />
Zeit nach einem Suizidversuch regelmäßig von <strong>de</strong>r Klinik kontaktiert wer<strong>de</strong>n. In einer an<strong>de</strong>ren Studie<br />
[1172] wur<strong>de</strong>n ältere Patienten mit einem telefonischen Unterstützungssystem („Telehelp-Telecheck“)<br />
ausgestattet. Damit konnten sie notfalls Hilfe rufen; gleichzeitig wur<strong>de</strong>n sie darüber regelmäßig<br />
telefonisch kontaktiert. Dies führte im Untersuchungszeitraum zu einer signifikant geringeren<br />
Suizidhäufigkeit (einer statt sieben Suizi<strong>de</strong>).<br />
Morgan et al. (1993) [1173] randomisierten 212 Patienten nach Suizidversuch auf zwei Gruppen: Die<br />
Experimentalgruppe erhielt eine Notfallkarte, auf <strong>de</strong>r eine Telefonnummer vermerkt war, wo sie im Fall<br />
einer erneuten suizidalen Krise je<strong>de</strong>rzeit anrufen konnten. Die Kontrollgruppe erhielt eine<br />
Routinebehandlung (z. B. stationäre Wie<strong>de</strong>raufnahme). Die mit <strong>de</strong>r Notfallkarte ausgestatteten<br />
Patienten wiesen im Trend weniger suizidale Handlungen als jene <strong>de</strong>r Kontrollgruppe auf. Eine<br />
Replikation mit einer kleineren Stichprobe zeigte allerdings keine Gruppenunterschie<strong>de</strong> mehr [1168].<br />
Die ersten Tage und Wochen nach <strong>de</strong>r Entlassung aus einer stationären Behandlung sind mit<br />
einem erhöhten Suizidrisiko verbun<strong>de</strong>n. Dies betrifft in beson<strong>de</strong>rem Maße Patienten mit einer<br />
<strong>de</strong>pressiven Störung, die nach einem Suizidversuch aufgenommen wor<strong>de</strong>n sind o<strong>de</strong>r die weiterhin<br />
Suizidgedanken haben [1150; 1174]. Zu<strong>de</strong>m gibt es Hinweise, dass wegen Suizidalität<br />
aufgenommene Patienten, die unmittelbar nach <strong>de</strong>r Entlassung keine Behandlung wahrnehmen, auch<br />
signifikant seltener später irgen<strong>de</strong>ine Behandlung in Anspruch nehmen [1175; 1176]. Entsprechend<br />
wichtig ist die Regelung <strong>de</strong>r Nachbetreuung nach einer stationären Behandlung. Folgen<strong>de</strong> Schritte im<br />
Umgang mit Patienten, die (a) wegen Suizidalität stationär aufgenommen wor<strong>de</strong>n sind und entlassen<br />
wer<strong>de</strong>n sollen bzw. (b) die nicht stationär aufgenommen wer<strong>de</strong>n, obwohl sie suizidales Verhalten<br />
© 2009 169<br />
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