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Unipolare Depression Langfassung - Versorgungsleitlinien.de

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H 3.7 Management bei Suizidgefahr<br />

H 3.7.1 Ausprägungen und Risikofaktoren von Suizidalität<br />

Unter Suizidalität wer<strong>de</strong>n alle Erlebens- und Verhaltensweisen von Menschen verstan<strong>de</strong>n, die in<br />

Gedanken, durch aktives Han<strong>de</strong>ln o<strong>de</strong>r passives Unterlassen o<strong>de</strong>r durch Han<strong>de</strong>ln lassen <strong>de</strong>n Tod<br />

anstreben bzw. als mögliches Ergebnis einer Handlung in Kauf nehmen [14]. Pöldinger (1980) [1131]<br />

unterschei<strong>de</strong>t als verschie<strong>de</strong>ne Stadien <strong>de</strong>r Entwicklung suizidalen Verhaltens eine Erwägungs-, eine<br />

Ambivalenz- und eine Entschlussphase. Suizidalität hat entsprechend graduelle Ausprägungen (vgl.<br />

[14; 1131-1133]:<br />

1. Wunsch nach Ruhe o<strong>de</strong>r Pause („passiver To<strong>de</strong>swunsch“);<br />

2. Suizidgedanken/Suizidi<strong>de</strong>en (konkrete I<strong>de</strong>en, fluktuierend auftreten<strong>de</strong> I<strong>de</strong>en, sich zwanghaft<br />

aufdrängen<strong>de</strong> I<strong>de</strong>en, impulshaft einschießen<strong>de</strong> Suizidi<strong>de</strong>en, Suizidi<strong>de</strong>en im Sinne akustischer<br />

Halluzinationen);<br />

3. Suizidpläne/Suizidvorbereitungen (konkretisierte, geäußerte o<strong>de</strong>r nicht geäußerte Suizidabsicht;<br />

abgebrochene suizidale Handlungen);<br />

4. suizidale Handlungen.<br />

Die Phasen <strong>de</strong>r Suizidalität verlaufen nicht linear; <strong>de</strong>pressive Patienten können von passiven<br />

To<strong>de</strong>swünschen o<strong>de</strong>r Suizidgedanken direkt zu suizidalen Handlungen übergehen (so genannter<br />

Raptus). An<strong>de</strong>rerseits sind parasuizidale Phänomene auch im Rahmen <strong>de</strong>pressiver Störungen<br />

bekannt. Unter Parasuizidalität fallen Verhaltensweisen, die intentional nicht auf einen (finalen) Suizid<br />

ausgerichtet sind, diesen jedoch potenziell verursachen können [1134]. Weiterhin ist die Suizidalität<br />

ganz allgemein abzugrenzen von auto<strong>de</strong>struktiven, d. h. selbstschädigen<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r selbstverletzen<strong>de</strong>n<br />

Handlungen. Hierzu zählt v. a. direkt selbstschädigen<strong>de</strong>s Verhalten (z. B. sich selbst kratzen,<br />

schnei<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r verbrennen), das intrapsychisch u. a. die Funktion <strong>de</strong>r Spannungsmin<strong>de</strong>rung<br />

(Reduktion von Unruhe, Unsicherheit, Angste, Einsamkeit) o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Selbstbestrafung bzw. <strong>de</strong>r<br />

Min<strong>de</strong>rung von Schuldgefühlen erfüllt und auch im Rahmen <strong>de</strong>pressiver Störungen auftreten kann<br />

[1135].<br />

In wenigstens 90 % <strong>de</strong>r Suizidfälle liegt eine psychische Störung vor, und über 80 % <strong>de</strong>r Suizi<strong>de</strong>nten<br />

sind zum Zeitpunkt ihres To<strong>de</strong>s bezüglich <strong>de</strong>r psychischen Störung unbehan<strong>de</strong>lt [1136-1139]. Das<br />

höchste Suizidrisiko überhaupt haben ältere Männer, wobei die Suizidrate bei Männern über ca. 70<br />

Jahren exponentiell ansteigt (vgl. Kapitel H 1.2 „<strong>Depression</strong>sleitlinien in Deutschland“). Depressive<br />

Störungen stellen die häufigste psychische Ursache für Suizi<strong>de</strong> dar; ihre Prävalenz unter <strong>de</strong>n<br />

Suizi<strong>de</strong>nten wird, abhängig von <strong>de</strong>r Form und <strong>de</strong>m Instrument <strong>de</strong>r Erhebung und vom Alter, auf<br />

zwischen 30 % und 90 % geschätzt [1136; 1138]. Deshalb besitzt die Beachtung von Suizidalität im<br />

Rahmen <strong>de</strong>r <strong>Depression</strong>stherapie höchsten Stellenwert.<br />

Nur eine direkte Thematisierung ermöglicht eine vali<strong>de</strong> Abschätzung gegenwärtiger Suizidalität.<br />

Dabei darf sich <strong>de</strong>r Behandler nicht scheuen, sehr präzise und <strong>de</strong>tailliert die Art <strong>de</strong>r Suizidgedanken,<br />

<strong>de</strong>n Planungsstand suizidaler Handlungen und die vorbereiten<strong>de</strong>n Maßnahmen zu erfragen. Die akute<br />

Suizidgefahr wird dabei nicht auch zuletzt vor <strong>de</strong>m Hintergrund vorhan<strong>de</strong>ner Ressourcen (soziales<br />

Netzwerk, Familie, Arbeitsplatz) beurteilt [1133]. Die Einschätzung von Suizidalität erfolgt dabei<br />

unabhängig vom Alter; es gibt keinen Grund, bei älteren Menschen von einer permissiveren o<strong>de</strong>r<br />

liberaleren Beurteilung auszugehen. Nahrungsverweigerung, erschöpfte Ressourcen, Ten<strong>de</strong>nzen zur<br />

Bilanzierung, <strong>de</strong>r Wunsch nach Sterbehilfe o<strong>de</strong>r mangeln<strong>de</strong> Mitarbeit können bei älteren Patienten<br />

Anzeichen für Suizidalität sein. Folgen<strong>de</strong> Faktoren sprechen allgemein für ein erhöhtes Suizidrisiko<br />

(nach [14; 21; 1133]:<br />

© 2009 162

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