Unipolare Depression Langfassung - Versorgungsleitlinien.de
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Empfehlung/Statement<br />
3- 86<br />
Eine stationäre Einweisung sollte für suizidale Patienten erwogen wer<strong>de</strong>n,<br />
� die akut suizidgefähr<strong>de</strong>t sind;<br />
� die nach einem Suizidversuch medizinischer Versorgung bedürfen;<br />
� die wegen <strong>de</strong>r zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>pressiven Störung einer intensiven<br />
psychiatrischen bzw. psychotherapeutischen Behandlung bedürfen;<br />
� wenn eine hinreichend zuverlässige Einschätzung <strong>de</strong>s Weiterbestehens <strong>de</strong>r<br />
Suizidalität an<strong>de</strong>rs nicht möglich ist, o<strong>de</strong>r<br />
� wenn die Etablierung einer tragfähigen therapeutischen Beziehung nicht gelingt<br />
und die Person trotz initialer Behandlung akut suizidal bleibt.<br />
Empfehlungsgrad<br />
Bei Suizidgefahr und fehlen<strong>de</strong>r Behandlungsbereitschaft muss die Krankenhauseinweisung<br />
gegen <strong>de</strong>n Willen <strong>de</strong>s Patienten erwogen wer<strong>de</strong>n. Diese ist in <strong>de</strong>n Unterbringungsgesetzen o<strong>de</strong>r<br />
Psychisch-Kranken-Gesetzen (Psych-KGs) <strong>de</strong>r einzelnen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r geregelt. Maßnahmen nach<br />
einem Unterbringungsgesetz können dann ergriffen wer<strong>de</strong>n, wenn eine Person psychisch krank,<br />
geistig behin<strong>de</strong>rt o<strong>de</strong>r suchtkrank ist, wenn im Rahmen <strong>de</strong>r Krankheit die Gefahr besteht, dass sie sich<br />
selbst o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Scha<strong>de</strong>n zufügt und wenn diese Gefahr nicht auf an<strong>de</strong>re Weise abzuwen<strong>de</strong>n ist.<br />
Bei akuter schwerer Suizidalität und fehlen<strong>de</strong>r Behandlungsbereitschaft ist in <strong>de</strong>r Regel Eile geboten<br />
[270].<br />
Am wenigsten eingreifend ist es für alle Beteiligten, wenn Angehörige o<strong>de</strong>r Freun<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Patienten<br />
selbst in das zuständige psychiatrische Krankenhaus bringen. Wenn <strong>de</strong>r Patient sich jedoch weigert,<br />
hat es keinen Sinn, einen Krankenwagen zu rufen. Rettungssanitäter dürfen keinerlei körperliche<br />
Gewalt anwen<strong>de</strong>n. Sie wer<strong>de</strong>n sich <strong>de</strong>shalb in <strong>de</strong>r Regel weigern, Patienten gegen ihren Willen zu<br />
transportieren. Hierfür ist die Polizei zuständig.<br />
Das Unterbringungsverfahren ist in <strong>de</strong>n einzelnen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn sehr ähnlich. In <strong>de</strong>r Regel muss ein<br />
Arzt die Notwendigkeit <strong>de</strong>r Behandlung gegen <strong>de</strong>n Willen bestätigen. Die Polizei entschei<strong>de</strong>t unter<br />
Berücksichtigung <strong>de</strong>s ärztliches Zeugnisses, ob die Einweisung in eine zur Behandlung autorisierte<br />
Einrichtung erfor<strong>de</strong>rlich ist. Der Leiter <strong>de</strong>r psychiatrischen Einrichtung o<strong>de</strong>r sein Vertreter, <strong>de</strong>r<br />
Facharzt für Psychiatrie sein muss, fertigt ein ärztliches Gutachten an. Nach einer Frist von 24-36<br />
Stun<strong>de</strong>n – dies ist in <strong>de</strong>n einzelnen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn verschie<strong>de</strong>n – muss <strong>de</strong>r Amtsrichter <strong>de</strong>n Patienten<br />
persönlich anhören, falls er sich nicht inzwischen zu einer Behandlung auf freiwilliger Basis<br />
entschlossen hat. Der Richter trifft aufgrund einer persönlichen Anhörung, aufgrund <strong>de</strong>s ärztlichen<br />
Gutachtens eine Entscheidung über die Unterbringung. Falls <strong>de</strong>r Richter die Auffassung vertritt, dass<br />
eine Unterbringung nicht erfor<strong>de</strong>rlich ist, muss <strong>de</strong>r Patient entlassen wer<strong>de</strong>n [270].<br />
H 3.7.4 Pharmakotherapie<br />
H 3.7.4.1 Anti<strong>de</strong>pressiva<br />
Obwohl es nahe liegt, von anti<strong>de</strong>pressiv wirksamen Medikamenten auch eine suizidalitätsverringern<strong>de</strong><br />
Wirkung anzunehmen, konnte ein solcher Effekt bislang für Anti<strong>de</strong>pressiva nicht gesichert wer<strong>de</strong>n. Es<br />
liegen min<strong>de</strong>stens sechs große systematische Übersichtsarbeiten und Metaanalysen vor [39; 359;<br />
396; 403; 404; 547], die jeweils die Daten von sehr vielen Patienten (zwischen knapp 20 000 bis fast<br />
90 000 Patienten) auswerteten. Hierunter befin<strong>de</strong>n sich drei Arbeiten [39; 359; 396], die die Daten aus<br />
<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r US-amerikanischen Zulassungsbehör<strong>de</strong> FDA eingereichten Zulassungsstudien<br />
analysierten. In keiner <strong>de</strong>r Übersichtsarbeiten und Metaanalysen zeigte sich bei <strong>de</strong>n mit<br />
Anti<strong>de</strong>pressiva behan<strong>de</strong>lten Patienten eine geringere Rate an suizidalen Handlungen (Suizidversuche<br />
und Suizi<strong>de</strong>) als bei <strong>de</strong>n mit Placebo behan<strong>de</strong>lten Patienten. Bezüglich <strong>de</strong>r SSRI wird kontrovers<br />
diskutiert, ob es aufgrund von exzitatorischen Nebenwirkungen wie Agitiertheit o<strong>de</strong>r Akathisie zum<br />
Auftreten von akuter Suizidalität kommen kann [15; 19; 391]. Mehrere Übersichten kontrollierter<br />
Studien [39; 359; 396], aber auch epi<strong>de</strong>miologische Untersuchungen [397] kommen zu <strong>de</strong>m Schluss,<br />
dass keine erhöhte Suizidalität unter SSRI vorliegt; an<strong>de</strong>rerseits schließt dies das Vorhan<strong>de</strong>nsein<br />
seltener Nebenwirkungen bei entsprechend prädisponierten Patienten nicht aus [19; 398; 399]. Auch<br />
fan<strong>de</strong>n einige epi<strong>de</strong>miologische Studien ein erhöhtes Risiko von SSRI im Vergleich zu TZA [400; 401].<br />
© 2009 166<br />
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