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REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben

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Replik auf<br />

Gerhard Augst/Burkhard Schaeder: Rechtschreibreform - Eine Antwort an die<br />

Kritiker. Stuttgart 1997 84<br />

Die an den Schulen vieler Bundesländer vorzeitig eingeführte „Neuregelung der<br />

deutschen Rechtschreibung“ konnte vor dem Urteil der Sprachwissenschaft nicht<br />

bestehen; sie gehört nach Ansicht eines berufenen Kritikers und Mitgliedes der neuen<br />

Rechtschreibkommission „sprachwissenschaftlich auf den Müll“ (Peter Eisenberg).<br />

Auch die meisten Schriftsteller und die Mehrheit der Bevölkerung lehnen die Reform<br />

ab. Dennoch beharren die deutschen Kultusminister auf der ohnehin überstürzten,<br />

darüber hinaus auch rechtlich fragwürdigen Durchführung der verfehlten Neuregelung.<br />

Um ihnen zu Hilfe zu kommen, veröffentlichte der Vorsitzende der neuen Reformkommission<br />

zusammen mit einem früheren Mitglied des für die Reform<br />

verantwortlichen Arbeitskreises im Sommer 1997 eine Verteidigungsschrift.<br />

Obwohl ich diese Broschüre bereits Anfang September 1997 einer umfassenden Kritik<br />

unterzogen habe, die auch vielen verantwortlichen Politikern zur Kenntnis gebracht<br />

wurde, haben die Kultusminister sie noch Monate später als „Widerlegung“ der<br />

Reformgegner empfohlen und verbreitet. Das bayerische Kultusministerium beispielsweise<br />

erwarb 5500 Exemplare 85 und verschickte sie am 6.10.1997 mit einem<br />

entsprechenden Begleit<strong>schreiben</strong> an alle bayerischen Schulen. In Hessen erhielt Ende<br />

November jede Schule zwei Exemplare. 86 Auch das Institut für deutsche Sprache (IDS)<br />

bezeichnet sie in seiner Stellungnahme für das Bundesverfassungsgericht vom<br />

10.11.1997 als eine überzeugende Widerlegung der „Hauptvorwürfe von Ickler und<br />

anderen Kritikern“.<br />

Zur Beurteilung der Broschüre ist vorab interessant, was einer der besten Kenner der<br />

Orthographie und ihrer Reform, Horst H. Munske, dazu sagt:<br />

„Während eine Arbeitsgruppe der Kommission an einer Revision arbeitet, wird<br />

an allen bayerischen Schulen eine Werbeschrift des Kommissionsvorsitzenden<br />

verteilt, in der sämtliche Groteskheiten (sc. der Getrennt- und<br />

Zusammenschreibung) wortreich verteidigt werden. Hier wird der verbiesterte<br />

Wille offenbar, nichts Wesentliches zu ändern, sondern allenfalls ein paar<br />

besonders anstößige Fehler wegzuinterpretieren.“ 87<br />

Munske trat aus der Kommission aus, da er eine weitere Mitarbeit unter derart<br />

verzerrten Bedingungen nicht für sinnvoll hielt. Eisenberg folgte ihm einige Monate<br />

später.<br />

84 Dieser Text wurde im September 1997 verfaßt und dem Bundesverfassungsgericht<br />

vorgelegt. Er ist hier etwas gekürzt; Seitenzahlen bei Verweisen sind weggelassen.<br />

85 Süddeutsche Zeitung 31.10.1997.<br />

86 Vermerk von Ministerialrat Christoph Stillemunkes (Az VI A 3 - 601/83 - 252).<br />

87 Süddeutsche Zeitung 4.12.1997.<br />

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