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REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben

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kostspielige und ärgerliche „Reform“ hätte lösen können, soweit sie ohne<br />

grundsätzliche Abkehr von der nichtphonographischen Schrift überhaupt lösbar sind.<br />

Unverständlich ist Löwers Wort von der „im Zeitalter des Computers unendlich<br />

lästigen Verwandlung von „ck“ in „k-k“ im Trennungs-Fall“. Gerade dies bewältigen<br />

die Trennprogramme doch seit je ohne Mühe.<br />

Löwer hebt an verschiedenen Stellen darauf ab, daß an der Ausarbeitung der Reform<br />

Fachleute beteiligt waren. Dazu ist bei aller kollegialen Rücksichtnahme zunächst zu<br />

sagen, daß es durchaus unterschiedliche Fachleute gibt. Ferner muß bedacht werden,<br />

daß die gegenwärtige Reform kaum Ähnlichkeit mit den eigentlichen Plänen der<br />

beteiligten Wissenschaftler hat, sondern weitgehend den Wünschen von Fachbeamten<br />

der Kultusministerien entstammt, denen sich die übriggebliebenen Wissenschaftler 149<br />

Schritt für Schritt unterwerfen mußten.<br />

Wie es im Internationalen Arbeitskreis für Orthographie (den es als Institution mit<br />

definierter Mitgliedschaft übrigens nie gab) und in den nationalen Arbeitskreisen<br />

wirklich zuging, können nur Insider berichten. 150 Immerhin ist über die Art, wie dort<br />

die auch von Löwer erwähnten „Kompromisse“ geschlossen wurden, einiges bekannt.<br />

Zabel hat folgendes hübsche Detail ausgeplaudert:<br />

„Die Kommission für Rechtschreibfragen konnte sich diesen Vorschlägen“ (sc.<br />

Einheitsschreibung das) „(noch) nicht anschließen. Sie entschied sich einerseits,<br />

eine entsprechende Beschlußfassung zu einem späteren Zeitpunkt unter Berücksichtigung<br />

der Gesamtregelung vorzunehmen. Dies bedeutet, daß sie auf eine<br />

Neuregelung in diesem Bereich verzichten könnte, wenn dadurch andere<br />

Maßnahmen ermöglicht würden. Andererseits wäre es sinnvoll, zur Vereinfachung<br />

der Regeln diesen Vorschlag durchzusetzen, wenn sich die Realisierung<br />

anderer Vorschläge als utopisch erweisen sollte. Die Stellungnahme der<br />

Kommission geht von der durch das Protokoll der II. Orthographischen Konferenz<br />

von 1901 belegten Tatsache aus, daß Beschlüsse zur Orthographiereform<br />

ohne die Bereitschaft zum Kompromiß kaum möglich sind.“ (Die Rechtschrei-<br />

149 Mehrere von ihnen sind ja ausgeschieden, als sich diese Entwicklung abzeichnete, bis in<br />

die jüngste Zeit hinein.<br />

150 Günther Drosdowski, der langjährige Leiter der Dudenredaktion berichtet über seine<br />

Erfahrungen im Internationalen Arbeitskreis: „Ich habe mich mit meinen Vorstellungen<br />

von einer <strong>vernünftig</strong>en Neuregelung nicht durchsetzen können, bin immer überstimmt<br />

worden – in der Rechtschreibkommission und in den Arbeitsgruppen herrschten<br />

mafiaähnliche Zustände. Einige Reformer hatten von der Verschriftung der Sprache und<br />

der Funktion der Rechtschreibung für die Sprachgemeinschaft keine Ahnung, von der<br />

Grammatik, ohne die es bei Regelungen der Orthographie nun einmal nicht geht, sowieso<br />

nicht. Sie mißbrauchten die Reform schamlos, um sich Ansehen im Fach und in der<br />

Öffentlichkeit zu verschaffen, Eitelkeiten zu befriedigen und mit orthographischen<br />

Publikationen Geld zu verdienen. Selten habe ich erlebt, daß Menschen sich so ungeniert<br />

ausziehen und ihre fachlichen und charakterlichen Defizite zur Schau stellen. Es ist schon<br />

ein Trauerspiel, daß die Sprachgemeinschaft jetzt ausbaden muß, was sich [es folgen drei<br />

Namen] und andere ausgedacht haben. Von dieser (internationalen) Kommission stehen<br />

uns ja sicherlich auch noch Burlesken ins Haus, ein Rüpelstück schon allein die<br />

Besetzung: Diejenigen, die ihre Spielwiese erhalten wollen, schließen diejenigen, die<br />

etwas von der Sache verstehen und Kritik üben, aus, und Kultusministerien drängen auf<br />

Quotenregelung!“ (Brief an den Verfasser vom 10.11.1996)<br />

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