REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben
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Wie ich mit Betroffenheit zur Kenntnis nehmen muß, bezieht sich zum Beispiel die<br />
baden-württembergische Kultusministerin bereits auf die Stellungnahme der GfdS, um<br />
zu belegen, daß die deutsche Sprachwissenschaft die Rechtschreibreform unterstütze.<br />
Als Mitglied der GfdS protestiere ich nachdrücklich dagegen, ohne neuerliche<br />
Mitgliederbefragung gleichsam in Geiselhaft genommen zu werden für eine Reform,<br />
die von nahezu allen deutschen Sprachwissenschaftlern und der Mehrheit der<br />
Bevölkerung mit guten Gründen abgelehnt wird.<br />
Die Mitgliederversammlung der GfdS am 9./10. Mai 1998<br />
Soweit mein Brief, hier leicht gekürzt wiedergegeben. Während der Mitgliederversammlung<br />
am 10. Mai 1998 in Wiesbaden beantragte ich, folgendes zu erklären:<br />
„Die Gesellschaft für deutsche Sprache sieht sich zur Zeit außerstande, ein Votum<br />
zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung in der Fassung von 1996<br />
abzugeben, da unter den Mitgliedern keine eindeutige Meinung zu diesem<br />
Gegenstand festgestellt worden ist.“<br />
Der Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt, ebenso wie zuvor der Antrag von Hildegard<br />
Krämer auf eine Mitgliederbefragung zur Reform; doch kam es während der<br />
Aussprache zu einer unschönen Szene. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter, vertreten<br />
durch Helmut Walther (Schriftleiter des „Sprachdienstes“), Gerhard Müller<br />
(Schriftleiter der „Muttersprache“) und Uwe Förster, erklärten übereinstimmend, sie<br />
hätte in zwei Jahren tagtäglicher Sprachberatung mit der Neuregelung die Einsicht<br />
gewonnen, daß die Rechtschreibreform nichts tauge. Daraufhin wurden sie vom<br />
Vorstand (Vorsitzer Günther Pflug, Vorstandsmitglied Rudolf Hoberg, Geschäftsführerin<br />
Karin Frank-Cyrus) lautstark niedergemacht, ließen sich aber nicht<br />
einschüchtern. Bezeichnenderweise gaben sie auf die Frage, warum sie das nicht eher<br />
gesagt hätten, die Antwort, sie seien nie gefragt worden – was ein Licht auf das<br />
Betriebsklima in der Wiesbadener Geschäftsstelle warf, das besonders durch die<br />
Geschäftsführerin nachhaltig gestört sein soll und seither sicher nicht besser geworden<br />
ist. 65<br />
Für mich selbst war aber interessanter, was mir der Vorsitzer, Prof. Günther Pflug,<br />
während der Mittagspause triumphierend mitteilte: Er wisse bereits – wohlgemerkt:<br />
zwei Tage vor der Anhörung! – aus zuverlässiger Quelle, daß das Bundesverfassungsgericht<br />
im Sinne der Kultusminister entscheiden werde; nun seien nur noch die<br />
Volksbegehren zu fürchten. Ganz neu war mir das nicht, denn schon zehn Tage zuvor<br />
glaubte eine Mitarbeiterin der Deutschen Presse-Agentur dasselbe zu wissen und<br />
nannte sogar den Namen des Verfassungsrichters, der geplaudert hatte.<br />
Nach diesem Vorfall traten Prof. Helmut Glück (Zweigvorsitzer in Bamberg) und ich<br />
aus der GfdS aus.<br />
65 Die ganze Episode ist in der Niederschrift, wie sie im „Sprachdienst 4/98“ veröffentlicht<br />
ist, nicht enthalten.<br />
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