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REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben

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Frage; die wissen aber sowieso alles, was in diesem Wörterbuch steht, und noch viel<br />

mehr. – Zu Rowdy: „Man könnte es mit rau verbinden.“ Freilich könnte man, aber<br />

gehört das in ein Wörterbuch, das doch ein wenig mehr enthalten sollte als die<br />

Augenblickseinfälle des Verfassers? – säkularisieren wird umschrieben als ,aus<br />

kirchlichem in weltlichen Besitz übergehen‘; offensichtlich falsch, da es ,überführen‘<br />

heißen muß. Das Überraschendste ist aber die Bemerkung:<br />

„Entfernt kann man es an die Wörter sakral bis Sakristei anschließen, nicht<br />

jedoch an säkular.“<br />

Warum „kann man“ nicht? Viele können es, während ihnen die genannten Anschlüsse<br />

mehr oder weniger absurd vorkommen mögen.<br />

Zu -schecke (in Eierschecke):<br />

„Die Informanten kennen das Wort nicht, so dass eine denkbare synchrone<br />

Beziehung zu I. Scheck nicht belegt werden kann.“<br />

Augst denkt sich also aus, was die Sprecher sich bei einem Wort denken würden, wenn<br />

sie es denn kennten, was aber leider nicht der Fall ist. Warum sollten solche<br />

Hirngespinste den Leser interessieren? – Zu schurigeln scheint kein Informant befragt<br />

worden zu sein; was er gegebenenfalls gesagt hätte, kann man sich denken. –<br />

Unkommentiert ist schwierig unter schwer eingereiht; wahrscheinlich weiß der<br />

Verfasser gar nicht, daß die beiden Wörter verschiedener Herkunft sind. – Bei<br />

selbst(st)ändig usw. ist immer das falsche st eingeklammert, da das Wort ja nicht aus<br />

selbst + ändig besteht. – Unter stehen vermißt man die Stendelwurz, deren Änderung<br />

zu Ständelwurz der Rechtschreibreformer Augst so energisch betrieben hat, um die<br />

volksmedizinische Bedeutung dieser Orchidee, sozusagen als Viagra des kleinen<br />

Mannes, zu Ehren zu bringen. – Die Wortfamilie um stumpf bezeichnet nicht „etwas<br />

Fehlendes“, sondern umgekehrt das, woran etwas fehlt. – Zwischen Werk und wirken<br />

soll es keinerlei Verbindung geben, und wirklich ist wieder ein anderes, ausdrücklich<br />

als „heute demotiviert“ bezeichnetes Stichwort! – züchtig und eine ganze Reihe<br />

verwandter Wörter ohne weiteres unter ziehen zu stellen scheint doch etwas gewagt.<br />

Was sagen die „Informanten“ spontan dazu?<br />

Richtig und nützlich ist es, auch die Affixe anzuführen. Aber gleich das erste Beispiel<br />

auf der ersten Seite des Wörterbuchs stürzt den Leser in tiefe Verwirrung:<br />

„a-, ab- an-, ana- /Präfix/ nicht; /oft mit der zusätzlichen Bed./: zuwiderlaufend:<br />

ahistorisch; apolitisch; asymmetrisch; abnormal; anorganisch; anachronistisch.<br />

Das Präfix verbindet sich (in geläufigen Wörtern) weniger häufig mit fremden<br />

Adjektiven u. ist kaum produktiv.<br />

Bem.: ab- ist etym. eine Variante des Negationspräfix a- (...).“<br />

Das lateinische ab- ist natürlich keine Variante des griechischen Negationspräfixes a-<br />

(vor Vokalen an-) ist. ana wiederum ist eine griechische Präposition, die überhaupt<br />

nichts mit Negation zu tun hat.<br />

Die Rechtschreibreform wurde bereits erwähnt. In einigen wenigen Fällen hat die<br />

Kultusbürokratie dem führenden Reformer Augst erlaubt, sein persönliches Konzept<br />

von „synchroner etymologischer Kompetenz“ auszuleben. Bezeichnenderweise<br />

geschieht das fast immer so, daß die veränderte Schreibung (Zierrat usw.) nunmehr als<br />

einzige zulässige gelten soll, damit die bessere Sprach- und Sachkenntnis anderer<br />

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