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REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben

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Wer verdient an der Rechtschreibreform?<br />

Obwohl im Internationalen Arbeitskreis für Orthographie eine Vereinbarung bestand,<br />

daß keiner der Reformer die Reform für Privatgeschäfte nutzen solle, geschah genau<br />

dies sofort nach der Wiener Abschlußkonferenz. Inzwischen beteiligen sich mit<br />

wenigen Ausnahmen alle Reformer an der privaten Vermarktung ihres Werkes.<br />

Die Wörterbuchverlage haben den einen oder anderen Reformer gleichsam eingekauft,<br />

um seinen Namen werbewirksam in die Titelei ihrer Bücher zu bringen. Bei Klaus<br />

Heller war es der Name der Dudenstadt Mannheim, der unbedingt auf den Einband<br />

des leider nur in Gütersloh erscheinenden Bertelsmann-Wörterbuches mußte. Zwar hat<br />

Heller mit dem Duden nichts zu tun, sondern ist nur zufällig in Mannheim (beim IDS)<br />

beschäftigt, aber das wissen die meisten Käufer natürlich nicht. Bald darauf entfernte<br />

Bertelsmann (wohl auf Einspruch des staatlich finanzierten IDS) zuerst den Namen des<br />

Instituts und dann auch den damit wertlos gewordenen des Geleitwortschreibers vom<br />

Einband. 58 Dafür tauchten das IDS und Mannheim auf dem Umschlag der Heyne-<br />

Taschenbuchausgabe des Eduscho-Wörterbuchs auf, und zwar als angebliche<br />

Wirkungsstätte des Dortmunder Reformers Hermann Zabel.<br />

Welche Wirtschaftsinteressen hinter dem Reformunternehmen stehen und auch die<br />

Politiker unerbittlich voranpeitschen, geht aus folgender Pressemitteilung vom<br />

3.10.1997 hervor:<br />

Bonn (AP) Mit einer neuen Aktion werben deutsche Schulbuchverlage bei<br />

Bundestagsabgeordneten für die Rechtschreibreform. Den Parlamentariern wurde<br />

das Buch „Widerworte: Lieber Herr Grass, Ihre Aufregung ist unbegründet“<br />

zugestellt. Wie der AOL-Verlag am Mittwoch in Bonn ferner mitteilte, enthält die<br />

Publikation Antworten an Gegner und Kritiker der Rechtschreibreform.<br />

In diesem Jahr hätten AOL und Bertelsmann Wörter- und Rechtschreibbücher an<br />

alle 40.000 Schulen verschickt, erklärte ein Verlagssprecher. Der AOL-Verlag<br />

habe mit eigenen Büchern sowie durch Koproduktionen mit den Verlagen<br />

Bertelsmann und Rowohlt dafür gesorgt, daß alle Schulen seit April 1996<br />

regelmäßig und mehrfach Arbeitsbücher, Nachschlagewerke sowie Lehr- und<br />

Lernmittel zur neuen Rechtschreibung erhielten. Mit der Zusendung des neuen<br />

Buches wurden die Bundestagsabgeordneten aller Parteien gebeten, „die<br />

Geschichte der Rechtschreibreform und die Gegenargumente zu den Angriffen<br />

der Reformgegner zur Kenntnis zu nehmen und zu gewichten“.<br />

Im gleichen Monat ist aus München zu hören, daß die Hauptschulen, wo sich oft zwei<br />

Schüler ein Buch teilen müssen, nicht wissen, wie sie die neuen Deutschbücher<br />

bezahlen sollen, die durch die Rechtschreibreform notwendig geworden sind (SZ vom<br />

24.10.1997). Überall im Lande mustern seither die öffentlichen Büchereien Kinder-<br />

und Jugendbücher in „alter“ Schreibweise aus und bitten um Spenden für<br />

Neuanschaffungen.<br />

Der Bundeselternrat führte im Oktober 1997 zur Unterstützung der gefährdeten<br />

58 Daß Hellers Geleitwort aus Phrasen besteht, deren dürftiger Inhalt im Haupttext ohnehin<br />

noch einmal erscheint, versteht sich von selbst. Dasselbe gilt für Zabels Geleitwort zum<br />

Eduscho-Wörterbuch. Mit den zahllosen Fehlern dieses Werkes konfrontiert, teilt Zabel<br />

brieflich mit, er habe das Buch nur flüchtig durchgesehen und erst durch mich erfahren,<br />

wer überhaupt die Verfasser waren.<br />

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