REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben
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• Dann wurden unter den Mitgliedern des Internationalen Arbeitskreises „Kompromisse“<br />
geschlossen; Heller, Gallmann, Sitta, Zabel u. a. haben es oft betont und<br />
eine Reihe Unstimmigkeiten und Mängel der Reform darauf zurückgeführt. Ihre<br />
„Abstimmungen“ untereinander wurden auch als Kennzeichen des „demokratischen“<br />
Charakters der Neuregelung gepriesen, obwohl Mehrheitsentscheidungen<br />
innerhalb irgendwelcher Gremien nur wenig über die demokratische Legitimation<br />
des gesamten Unternehmens aussagen.<br />
• Seit der Verabschiedung der Reform werden den externen Kritikern „Kompromisse“<br />
angeboten, es werden ausdrücklich auch „Angebote“ unterbreitet (so zum Beispiel<br />
die Zurücknahme der Großschreibung von Spinnefeind). Man reagiert enttäuscht,<br />
wenn die Kritiker sich nicht darauf einlassen, und wirft ihnen Starrsinn und<br />
fanatische Verbohrtheit vor. Es wird offenbar nicht verstanden, daß es hier gar nicht<br />
um Kompromisse gehen kann. Entweder die bisherige Norm ist defekt, dann muß<br />
sie repariert werden. Oder sie ist es nicht, dann ist auch keine Reform nötig. Jeder<br />
Kompromiß kann hier nur ein fauler sein; jede mühsam ausgehandelte halbe Reform<br />
kostet materiell und ideell ebensoviel wie eine ganze und ist daher zu verwerfen.<br />
(Die meisten Kritiker – und gerade die „schärfsten“ – sehen ja überhaupt keinen<br />
Handlungsbedarf und setzen mehr auf verbesserte Rechtschreibdidaktik und natürlichen<br />
Wandel der Orthographie als auf eine Reform.) Auch steht der Ruf nach<br />
einem Kompromiß im Widerspruch zu der oft betonten Wissenschaftlichkeit des<br />
ganzen Reformunternehmens. Über das grammatisch falsche Leid tun, wie Recht du<br />
hast, das Aufsehen Erregendste usw. ist so wenig ein Verhandeln möglich wie über<br />
eine falsche Quadratwurzel.<br />
Das Problem der Großschreibung nach einem Doppelpunkt ist in der Tat so marginal,<br />
daß seine ausführliche Behandlung im Bericht der Kommission kaum verständlich ist;<br />
soweit ich weiß, hatte die Kritik hierzu auch nichts Wesentliches gesagt. Dieser Punkt<br />
scheint mehr der Ablenkung von den wirklich wichtigen, im Bericht aber kaum oder<br />
gar nicht behandelten Einwänden zu dienen, zum Beispiel zur Groß- und Kleinschreibung.<br />
Außerdem trifft es nicht zu, daß die Frage der Großschreibung nach<br />
Doppelpunkt in § 81 „hinreichend deutlich gelöst“ sei. Dort wird vielmehr lediglich<br />
auf den fraglichen § 54 zurückverwiesen und im übrigen eine Reihe weiterer Beispiele<br />
geboten, die das Problem aber eher komplizieren, da sie (vor allem unter 3) den Begriff<br />
des „Ganzsatzes“ noch verschwommener machen, als er ohnehin ist.<br />
Was die Varianten betrifft, die der etymologisierenden und volksetymologisierenden<br />
Neuschreibung die Spitze nehmen sollen, so ist es zweierlei, ob die Neuregelung selbst<br />
Varianten freistellt oder ob sie lediglich wegen der vorgesehenen Übergangszeit noch<br />
keinen Zwang auszuüben vermag. Die Vorzüge der bisherigen Rechtschreibung sollen<br />
offenbar dazu herhalten, die Mängel der geplanten zu entschärfen. Wiederum ist auch<br />
zu fragen, warum „einige wenige selten geschriebene Wörter“ überhaupt geändert<br />
werden mußten. Dadurch war es zwar notwendig, Wörter- und Schulbücher neu zu<br />
drucken, eine nennenswerte Erleichterung für Schüler kann sich so aber nicht ergeben.<br />
Die Neuregelung insgesamt scheint sich vorzugsweise mit marginalen Erscheinungen<br />
der deutschen Orthographie beschäftigt zu haben. Dieses Eingeständnis ist<br />
bemerkenswert.<br />
Das allgemeine Lob der Neuregelung und der Kommission ist schon deshalb unbeachtlich,<br />
weil es weitgehend Eigenlob ist, denn die Kommission besteht überwiegend aus<br />
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