REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben
REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben
REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
ja adverbial gebraucht, sondern auch manche unter 34(1): davon, davor, vorher,<br />
vorweg usw. Andererseits ist der adverbiale Gebrauch von zu zweifelhaft.<br />
Die umformulierte Unterregel § 34(2) besagt nun, daß zusammengeschrieben werden:<br />
„Zusammensetzungen aus Adjektiv + Verb: In solchen Verbindungen ist nur der erste<br />
Bestandteil betont und im Allgemeinen nicht sinnvoll steigerbar, zum Beispiel:<br />
fehlgehen, fehlschlagen, feilbieten, kundgeben, kundmachen, kundtun, weismachen;<br />
bloßstellen, fernsehen, fertigstellen, freisprechen (= für nicht schuldig erklären),<br />
gut<strong>schreiben</strong> (= anrechnen), heiligsprechen, hochrechnen, innehaben, innehalten,<br />
innewohnen, wahrsagen (= prophezeien)“<br />
Zur ersten Gruppe hatte es in der Neuregelung geheißen: „Zusammensetzungen aus<br />
Adverb oder Adjektiv + Verb, bei denen der erste, einfache Bestandteil in dieser Form<br />
als selbständiges Wort nicht vorkommt“ – und die Kritik hatte natürlich sofort gefragt,<br />
wie man die Wortart („Adverb oder Adjektiv“) eines Elements bestimmen kann, das als<br />
selbständiges Wort überhaupt nicht vorkommt. Nun müssen wir zur Kenntnis nehmen,<br />
daß es sich nach Ansicht der Reformer bei fehl schlicht um ein „Adjektiv“ handele.<br />
Nach den Kriterien der Reformer selbst müßte man also sagen können eine fehle<br />
Reform usw. (vgl. Augst/Schaeder über das abende Ereignis in ihrer Schrift<br />
„Rechtschreibreform: eine Antwort an die Kritiker“. Stuttgart 1997).<br />
Noch bemerkenswerter ist womöglich die zweite Gruppe, die sich sehr von der<br />
entsprechenden Liste der Neuregelung (§ 34 E2 [2.2.]) unterscheidet und solche<br />
„Adjektive“ wie inne enthält!<br />
Die wegen ihrer Willkür kritisierte Sonderregel für Gefüge mit einem auf -ig, -lich<br />
oder -isch auslautenden Adjektiv entfällt, und zwar sowohl unter § 34 wie unter § 36.<br />
Damit werden Zusammenschreibungen wie heiligsprechen, übrigbleiben usw. wieder<br />
möglich. Die absurde „Analogie“ von artig grüßen und übrig bleiben ist also endlich –<br />
nach drei Jahren unablässiger Kritik – als Irrtum erkannt.<br />
Damit ist ein wesentlicher Stein des Anstoßes beseitigt und der alte Zustand –<br />
oberflächlich gesehen – wiederhergestellt; aber dieser Fortschritt bleibt natürlich nicht<br />
ohne Folgen für die Wörterbücher, die allesamt gewissenhaft verzeichnen, daß zum<br />
Beispiel heilig sprechen getrennt, freisprechen aber zusammengeschrieben wird.<br />
Die einzige Bezugnahme auf das einst ausschlaggebende Kriterium der Steigerbarkeit<br />
(die „Erweiterbarkeit“ spielt daneben überhaupt keine Rolle mehr) ist so formuliert,<br />
daß sie eher wie eine ausschmückende Charakterisierung wirkt und nicht wie das<br />
vertraute „Steigerbarkeitskriterium“, als das sie immer noch bezeichnet wird. Als<br />
Kriterium hätte es in der Form eines Konditionalsatzes oder restriktiven Relativsatzes<br />
eingeführt werden müssen. Übrigens ist das Betonungskriterium, auf dessen<br />
Berücksichtigung die Kritik mit guten Gründen bestanden hat, so eindeutig nun auch<br />
wieder nicht, vor allem in konkreten Texten, wo die thematische Struktur oft<br />
Betonungsverhältnisse erzeugt, die den normalen Sprachteilhaber zu falschen<br />
Schlüssen verleiten können. Man wird auf die Dauer eben nicht darum herumkommen,<br />
grammatische Sachverhalte beim Namen zu nennen, statt sich auf heuristische<br />
Hinweise für den Laien – so nützlich sie sein mögen – zu beschränken.<br />
Der Abschnitt § 34(2) wird so dargeboten, als füge er sich bis auf die genannten<br />
inhaltlichen Veränderungen an genau derselben Stelle in das Regelwerk ein, an der er<br />
134