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REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben

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gesinnt) ist oder der Feind bzw. Freund von jemandem Der „normale Schreiber“ sehe<br />

hier in allen Fällen Substantive – eine völlig unbewiesene Behauptung, zumal die<br />

Adjektive einem verhältnismäßig gewählten Wortschatz zugehören, d. h. von eher<br />

gebildeten Schreibern gebraucht werden, denen die platte Verwechslung mit den<br />

Substantiven nicht so leicht unterlaufen dürfte. Für den vielbelachten Spinnefeind<br />

gestehen A&S neuerdings auch Kleinschreibung zu. Ein winziger Schritt in Richtung<br />

Vernunft, immerhin ... Allerdings kein konsequenter, denn für das Simplex Feind und<br />

für Todfeind soll die Kleinschreibung nicht zulässig sein, also: jemandem Todfeind<br />

sein, aber jemandem spinnefeind sein! Andernorts berufen sich A&S wieder auf die<br />

Unmöglichkeit, *der feinde Mann zu sagen, und wieder weisen wir darauf hin, daß<br />

nicht alle Adjektive attributiv gebraucht werden; sonst müßte man ja auch von *quitten<br />

Partnern sprechen können.<br />

Sehr zu bedauern ist, daß A&S auf die durchschlagende Kritik nicht eingehen, die<br />

gegen die Großschreibung von Leid tun, Not tun und Recht haben vorgebracht worden<br />

ist: so Leid es mir tut; Sie wissen gar nicht, wie Recht Sie haben sind eindeutig<br />

ungrammatische, gleichwohl von der Neuregelung erzwungene Gebilde. Die<br />

Neuschreibung Schifffahrt ist Not ist und bleibt Unsinn. 109<br />

5. Zeichensetzung<br />

A&S stellen fest:<br />

„Der Satz der Kritiker Er sah den Spazierstock in der Hand tatenlos zu wird ein<br />

stilistisches Doppelkomma erfordern, da es (...) eine Leseirritation vermeidet:<br />

Er sah, den Spazierstock in der Hand, tatenlos zu.“<br />

Aber es handelt sich nicht um einen „Satz der Kritiker“ 110 , sondern um ein Paradebeispiel<br />

aus dem Regelwerk selbst (§78[3]), und es wird dort gerade vorgeführt, um zu<br />

zeigen, daß kein Komma erforderlich ist! Wieder zeigt sich, daß die Reformer sich in<br />

ihrem eigenen Regelwerk nicht auskennen.<br />

Auf die horrenden Schwierigkeiten der neuen Kommaregelung gehen A&S nicht ein –<br />

was nicht sehr verwunderlich ist, finden wir doch nicht nur in dem offiziösen<br />

„Handbuch Recht<strong>schreiben</strong>“ der Reformer Gallmann und Sitta eine falsche Deutung<br />

der neuen Regeln, sondern auch in Schaeders eigenhändiger Korrektur seines<br />

berüchtigten „Mogeldiktats“.<br />

Ich deute die Probleme kurz an, die sich aus § 77(5) ergeben. Die Neuregelung sieht<br />

vor:<br />

Er hat es satt, zu arbeiten.<br />

(Komma erforderlich, weil der Infinitiv durch ein hinweisendes es angekündigt ist)<br />

Es gilt einen klaren Kopf zu behalten.<br />

109 Der führende Reformer Dieter Nerius hat bereits 1989 behauptet, in recht tun, leid tun<br />

und weh tun steckten ehemalige Substantive! Kein Wunder, daß auf dem Boden dieses<br />

dreifachen Irrtums die völlig inkonsequenten Neuschreibungen recht tun, Leid tun und<br />

wehtun wachsen konnten.<br />

110 In einem für den KMK-Vorsitzenden ausgearbeiteten Papier „Stellungnahme zu Th.<br />

Icklers Die Rechtschreibreform auf dem Prüfstand“ vom Frühjahr 1997 wird der inkriminierte<br />

Satz gar als „Icklers Satz“ bezeichnet!<br />

117

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