REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben
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professionelle Schreiber ist der Fall klar. (Übrigens bedienen sich die Reformer selbst,<br />
im Regelwerk und im ÖWB zum Beispiel, durchweg einer Kommasetzung Erster<br />
Klasse, d. h. sie machen keinen Gebrauch von den Lizenzen der Kommaweglassung<br />
und ignorieren insbesondere ihren eigenen Grundsatz, daß zwischen Hauptsätzen mit<br />
und sowie vor Infinitivgruppen im Normalfall kein Komma stehe.)<br />
Bindestriche konnte man – bei richtiger Interpretation von R 33 ff. des Duden – auch<br />
bisher schon im gleichen Umfang setzen wie nach der Neuregelung, mit der einzigen<br />
Ausnahme des ominösen schneeerhellt, das aber nie vorkam. Auf die bekannten<br />
Bedenken gegen einige neue Bindestrich-Empfehlungen (Brenn-Nessel, Still-Legung)<br />
sowie die inkonsistente Aufspaltung in Ergänzungs- und Bindestrich geht die GfdS<br />
nicht ein. Näheres in meinem Gesamtkommentar.<br />
Die Silbentrennung ist der Teil der Neuregelung, der als erster revidiert wird. Gegen<br />
eine behutsam weitergehende silbenmäßige Trennung bei Fremdwörtern ist nichts<br />
einzuwenden, sie wurde ja auch vom Duden regelmäßig weiterentwickelt. Daß<br />
neuerdings zulässige Trennungen wie Apost-roph usw. nicht in allen Wörterbüchern<br />
verzeichnet sind, spricht gegen die Zweckmäßigkeit der Neuregelung.<br />
Die Behauptung, die Nichttrennung von ck entspreche der Nichttrennung von ch, ist<br />
eine grobe Verkennung der Tatsachen. Unter den Digraphen muß man unterscheiden:<br />
• Behelfsschreibungen wie ch für den ich/ach-Laut,<br />
• Luxusschreibungen wie th, rh in Fremdwörtern,<br />
• graphische Geminaten wie ll, mm,<br />
• Ligaturen wie ck.<br />
Der systematische Ort von ck wird in § 3 der Neuregelung angegeben („Statt kk<br />
schreibt man ck“), die spätere Darstellung der Silbentrennung im Teil F desavouiert<br />
diese Angabe in unbegreiflicher Weise.<br />
Soweit zum Inhaltlichen. Den Protest der Bevölkerung als „meist unreflektiert und<br />
gefühlsmäßig“ abzutun, ist unzulässig. Es gibt unzählige Menschen, die den<br />
Intuitionen der „unreflektiert“ reagierenden Mehrheit tausendmal recht geben.<br />
Die Vorlage von 1992, die Gegenstand einer Anhörung war, unterscheidet sich sehr<br />
wesentlich von der heute vorliegenden Reform. Es ist unzulässig, die Zustimmung der<br />
GfdS-Mitglieder von damals (zumal beim heutigen Wissensstand) einfach auf die<br />
Neuregelung zu übertragen. Die Erwartung, daß die Mannheimer Kommission „die<br />
strittigen Fragen schnell klären wird“, ist völlig utopisch. Angesichts der inzwischen<br />
bekannt gewordenen Masse der „strittigen Fragen“ (um den Euphemismus einmal zu<br />
übernehmen) erscheint es vielmehr als ausgeschlossen, daß die Reform überhaupt noch<br />
zu retten ist.<br />
Die Mitglieder und die gesamte Öffentlichkeit dürfen erwarten, daß die Gesellschaft<br />
für deutsche Sprache sich nicht mit oberflächlichen Phrasen auf die Neuregelung<br />
bezieht („sicherlich insgesamt besser als die alte“), sondern sich auf eine Diskussion<br />
der objektiv vorhandenen Fehler, Lücken und Widersprüche einläßt. Die Größe der<br />
Aufgabe ist keine Entschuldigung dafür, sich mit Beschwichtigungsfloskeln aus der<br />
Affäre zu ziehen.<br />
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