REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben
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Damit wird nicht nur die aus der Not geborene Selbstfesselung der irregeleiteten<br />
Reformer zutreffend beschrieben, sondern auch der Beunruhigung wegen etwa<br />
bevorstehender Änderungen mit ihren weitreichenden Folgen vorgebaut. Auch aus<br />
mehreren Interviews des Kommissionsvorsitzenden geht hervor, daß er die<br />
Notwendigkeit von Änderungen zwar einsieht, diese Änderungen aber erst nach dem<br />
Inkrafttreten der Neuregelung allmählich eingeführt wissen wollte – wie er denn<br />
überhaupt eine permanente Reform der deutschen Orthographie für erstrebenswert<br />
hält. Mit dieser Strategie, die das Scheitern der Reform eine Zeitlang zu verschleiern<br />
versprach, fand er bei den Kultusministern offene Ohren.<br />
Im Oktober 1997 wurde bekanntgegeben, daß sich die Rechtschreibkommission mit<br />
den wichtigsten Wörterbuchverlagen auf eine gemeinsame Linie zunächst bei der<br />
Silbentrennung einigen werde. Auch dies könnte nur auf einen Bruch mit dem<br />
Regelwerk hinauslaufen, denn die Regeln sind gerade in diesem Bereich leider nur zu<br />
eindeutig. Sollten sich die Lexikographen mit den Reformern zum Beispiel darauf<br />
einigen, von den verwirrend zahlreichen Trennmöglichkeiten nur einige wenige<br />
zuzulassen, so würden sie gegen das Regelwerk verstoßen und könnten für ihre<br />
inoffiziellen Absprachen keinerlei Verbindlichkeit beanspruchen.<br />
Einerseits also sind umfassende Nachbesserungen der Reform unabweisbar notwendig<br />
und würden das Gesamtgebäude bis in die Grundmauern erschüttern, andererseits sind<br />
sie aus politischen und ökonomischen, ja auch psychologischen Gründen so gut wie<br />
undurchführbar. Eine Rücknahme der gesamten Reform wäre das kleinere Übel, weil<br />
• bei einer Fortsetzung des Projekts der größte Teil der Kosten erst in Zukunft<br />
anfallen wird, mithin durch eine Notbremsung noch vermieden werden könnte,<br />
• die bereits geänderten Schulbücher nur bei einem Reformstopp noch aufgebraucht<br />
werden könnten, während sie nach einer nochmaligen Änderung gerade an den<br />
Stellen fehlerhaft wären, an denen sie es auf keinen Fall sein dürften,<br />
• die Einheit der deutschen Orthographie auf Jahrzehnte zerstört wäre, während sie<br />
zum jetzigen Zeitpunkt auf der Grundlage der in den allermeisten Büchern<br />
praktizierten Schreibweise noch gerettet werden könnte.<br />
Wie seriös sind die Befürworter der Reform?<br />
Die Reformer nehmen für sich in Anspruch, sachlich zu argumentieren, während sie<br />
den Kritikern nachsagen, „unsachlich“ oder „emotional“ zu reagieren, die Reformer zu<br />
„verunglimpfen“ usw. Die Melodie ist wohlbekannt: Vor vierzig Jahren wiederholte<br />
der damalige Anführer der Kleinschreibungsfront, Leo Weisgerber, in seinem entsprechend<br />
betitelten Büchlein („Die Verantwortung für die Schrift“) wohl mehr als<br />
hundertmal, er selbst und seine Mitstreiter handelten „verantwortlich“, die Gegner<br />
jedoch seien „verantwortungslos“, „Hörige“ der Schreibkonvention, die „roboterhaft“<br />
reagierten, wenn man ihnen Verbesserungen vorschlage.<br />
Der Verband der Schulbuchverlage lobte die Reform in einem Schreiben an die<br />
Abgeordneten des Deutschen Bundestages vom 23.6.1997 ohne nähere Begründung<br />
und wies die Kritik daran gleichzeitig als „häufig unsachlich, überzogen und falsch“<br />
zurück. Jene Schriftsteller, die die Frankfurter Erklärung unterzeichnet hatten, wurden<br />
vom Institut für deutsche Sprache (IDS) als Psychopathen dargestellt (Presseerklärung<br />
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