REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben
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Die Reformer bilden sich ein, dem Bindestrich eine größere Anwendungsbreite<br />
verschafft zu haben. Joghurt-Becher, so sagen sie, sei bisher falsch gewesen und<br />
werde infolge der Neuregelung richtig sein. Weit gefehlt! R 33 sagt, daß<br />
zusammengesetzte Wörter „gewöhnlich“ ohne Bindestrich geschrieben werden.<br />
In den folgenden Regeln wird vorgeführt, wie der Bindestrich zur Erhöhung der<br />
Übersichtlichkeit oder zur Herausarbeitung eines eigentlichen Sinnes gesetzt<br />
werden kann: Druck-Erzeugnis, Hoch-Zeit, be-greifen sind die Originalbeispiele.<br />
Folglich ist auch Joghurt-Becher völlig in Ordnung.<br />
Fast alle Bedenken, die man gegen Widersprüche und Haarspaltereien des Duden<br />
vorgebracht hat, lassen sich nach dem Prinzip der wohlwollenden Interpretation<br />
beseitigen.<br />
Daraus ergibt sich von selbst, wie zu verfahren ist, wenn man die von den Kultusministern<br />
leichtfertig zerstörte Einheit der deutschen Orthographie wiederherstellen<br />
will: Die gewohnten Schreibweisen bleiben gültig, ihre Kodifikation wird –<br />
nach dem unwiderruflichen Ende des Dudenprivilegs – auf eine andere, weder<br />
kommerziell interessierte noch politisch gebundene Instanz übertragen, damit die<br />
Schulen und Verlage etwas haben, woran sie sich halten können. Da es nur um<br />
eine Rekonstruktion, das heißt um die Erfassung und Beschreibung des Usus geht<br />
und nicht um eine Neukonstruktion, hält die Arbeit sich sehr in Grenzen. Bei der<br />
Neufassung der Regeln sollten folgende Grundsätze gelten:<br />
• Alle Schreibweisen, die im Wörterverzeichnis des Rechtschreibdudens bis zur<br />
zwanzigsten Auflage (1991) verbucht sind, bleiben richtig.<br />
• Darüber hinaus sind alle Schreibweisen richtig, die sich bei sinngemäßer und<br />
grundsätzlich liberaler Auslegung aus den Regeln des genannten Werkes<br />
ableiten lassen.<br />
• Keine Schreibweise, die der deutschen Grammatik gerecht wird, kann<br />
orthographisch als falsch gelten.<br />
Aus diesen Grundsätzen folgt, daß niemand, der korrekt <strong>schreiben</strong> will, ein<br />
anderes Werk als die bis zum Sommer 1996 vorliegenden dudenkonformen<br />
Regelwerke, Wörterbücher und didaktischen Materialien heranzuziehen braucht.<br />
Niemand wäre also gezwungen, neue Bücher zu kaufen.<br />
Was bisher für die sogenannte Rechtschreibreform ausgegeben wurde, ist so oder<br />
so verlorenes Geld. Die Wiederherstellung normaler Zustände jedenfalls ist<br />
kostenlos zu haben. Man muß sie nur wollen.<br />
(Nachtrag: Der Plan eines rein orthographischen Wörterbuchs mit neuer<br />
Regeldarstellung und konsequenter Ausrichtung am tatsächlichen Schreibbrauch<br />
ist inzwischen verwirklicht: Das Rechtschreibwörterbuch. 3. Aufl., Leibniz<br />
Verlag, Sankt Goar 2001.)<br />
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