29.12.2012 Aufrufe

REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben

REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben

REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Die Reformer bilden sich ein, dem Bindestrich eine größere Anwendungsbreite<br />

verschafft zu haben. Joghurt-Becher, so sagen sie, sei bisher falsch gewesen und<br />

werde infolge der Neuregelung richtig sein. Weit gefehlt! R 33 sagt, daß<br />

zusammengesetzte Wörter „gewöhnlich“ ohne Bindestrich geschrieben werden.<br />

In den folgenden Regeln wird vorgeführt, wie der Bindestrich zur Erhöhung der<br />

Übersichtlichkeit oder zur Herausarbeitung eines eigentlichen Sinnes gesetzt<br />

werden kann: Druck-Erzeugnis, Hoch-Zeit, be-greifen sind die Originalbeispiele.<br />

Folglich ist auch Joghurt-Becher völlig in Ordnung.<br />

Fast alle Bedenken, die man gegen Widersprüche und Haarspaltereien des Duden<br />

vorgebracht hat, lassen sich nach dem Prinzip der wohlwollenden Interpretation<br />

beseitigen.<br />

Daraus ergibt sich von selbst, wie zu verfahren ist, wenn man die von den Kultusministern<br />

leichtfertig zerstörte Einheit der deutschen Orthographie wiederherstellen<br />

will: Die gewohnten Schreibweisen bleiben gültig, ihre Kodifikation wird –<br />

nach dem unwiderruflichen Ende des Dudenprivilegs – auf eine andere, weder<br />

kommerziell interessierte noch politisch gebundene Instanz übertragen, damit die<br />

Schulen und Verlage etwas haben, woran sie sich halten können. Da es nur um<br />

eine Rekonstruktion, das heißt um die Erfassung und Beschreibung des Usus geht<br />

und nicht um eine Neukonstruktion, hält die Arbeit sich sehr in Grenzen. Bei der<br />

Neufassung der Regeln sollten folgende Grundsätze gelten:<br />

• Alle Schreibweisen, die im Wörterverzeichnis des Rechtschreibdudens bis zur<br />

zwanzigsten Auflage (1991) verbucht sind, bleiben richtig.<br />

• Darüber hinaus sind alle Schreibweisen richtig, die sich bei sinngemäßer und<br />

grundsätzlich liberaler Auslegung aus den Regeln des genannten Werkes<br />

ableiten lassen.<br />

• Keine Schreibweise, die der deutschen Grammatik gerecht wird, kann<br />

orthographisch als falsch gelten.<br />

Aus diesen Grundsätzen folgt, daß niemand, der korrekt <strong>schreiben</strong> will, ein<br />

anderes Werk als die bis zum Sommer 1996 vorliegenden dudenkonformen<br />

Regelwerke, Wörterbücher und didaktischen Materialien heranzuziehen braucht.<br />

Niemand wäre also gezwungen, neue Bücher zu kaufen.<br />

Was bisher für die sogenannte Rechtschreibreform ausgegeben wurde, ist so oder<br />

so verlorenes Geld. Die Wiederherstellung normaler Zustände jedenfalls ist<br />

kostenlos zu haben. Man muß sie nur wollen.<br />

(Nachtrag: Der Plan eines rein orthographischen Wörterbuchs mit neuer<br />

Regeldarstellung und konsequenter Ausrichtung am tatsächlichen Schreibbrauch<br />

ist inzwischen verwirklicht: Das Rechtschreibwörterbuch. 3. Aufl., Leibniz<br />

Verlag, Sankt Goar 2001.)<br />

41

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!