REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben
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irgendeine planmäßige Änderung der Orthographie sei unausweichlich. Das ist<br />
natürlich völlig aus der Luft gegriffen. In früheren Beiträgen haben Sie manchmal<br />
behauptet, es bestehe ein Junktim zwischen der Reform und der Aufhebung des<br />
Dudenprivilegs. Auch das trifft nicht zu. Die erwünschte „Entmachtung“ des Duden<br />
kann im Gegenteil als Chance begriffen werden, der allgemein üblichen<br />
Rechtschreibung erst recht die vorbildliche Geltung zu verschaffen, die vom Duden<br />
teilweise verdunkelt worden war. Dazu wäre die Entstaatlichung der Orthographie<br />
nötig, aber für eine solche liberale, sozusagen „englische“ Lösung sind die Deutschen<br />
in Ihren Augen auch hundert Jahre nach der Besiegelung der Einheitsorthographie<br />
wohl immer noch nicht reif genug.<br />
Daß die Schulbücher der unteren Klassen und einige andere (fast durchweg äußerst<br />
fehlerhaft) bereits umgestellt sind, spricht nicht gegen eine Rücknahme der ohnehin<br />
zur Revision anstehenden Reform. Die Kultusminister haben nichts dagegen<br />
einzuwenden gehabt, daß auch die alten Schulbücher aufgebraucht werden: „Wegen<br />
der geringfügigen Unterschiede können Schulbücher in alter Rechtschreibung weiter<br />
verwendet werden.“ (Schnellbrief des Niedersächsischen Kultusministeriums an die<br />
Schulen vom 15.7.1998) Also kann man auch die umgestellten Bücher aufbrauchen.<br />
Wer auf die Schulbücher verweist, die nach einer listigen Absprache zwischen<br />
Verlagen und Ministerien vorfristig umgestellt worden sind, beteiligt sich an jenem<br />
Mißbrauch der Schüler als Geiseln, der nachweislich in der Absicht der Reformer lag:<br />
„Eine Änderung geltender Konventionen und Normen über den Schüler zu<br />
erreichen, ist zwar verlockend und wäre, wenn es gelänge, auch am erfolgversprechendsten,<br />
aber sie setzt an am schwächsten Glied in der Kette.“<br />
So Augst im Jahre 1982; die Skrupel hat er inzwischen verloren.<br />
In Wirklichkeit wird an den Schulen außer ein bißchen ss-Schreibung und gelockerter<br />
Kommasetzung so gut wie nichts von der Reform „umgesetzt“. Vom Rechtschreibwortschatz<br />
der Grundschule sind nach einer offiziellen Liste des sächsischen<br />
Kultusministeriums nicht mehr als 24 Wörter betroffen, alle wegen ss. Das ss ist ja,<br />
wie die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung feststellte, das deutlichste<br />
Zeichen der Unterwerfung unter den Willen der Kultusminister; schon deshalb wird es<br />
bleiben, jedenfalls in der ZEIT, die sich ausdrücklich zur Anpassung an den „Zeitgeist“<br />
bekennt!<br />
Schon vor Jahren, als noch fast gar nichts geschehen war, schrieben Sie: „Die Einheit<br />
der Orthographie ist dahin.“ Das war falsch, aber jetzt scheint es wahr zu werden, und<br />
zwar durch Ihre eigene, den Leser souverän verachtende Tätigkeit. Es wird Jahrzehnte<br />
dauern und ungeheure materielle und immaterielle Kosten verursachen, bis sich wieder<br />
eine Einheitsorthographie durchsetzt. Noch könnte man die Notbremse ziehen, aber<br />
dazu reicht wohl die Kraft nicht, oder es fehlt an Phantasie.<br />
Trotzdem besten Dank! Sie haben uns mit dem vielen Rotgedruckten einen großen<br />
Dienst erwiesen. Je mehr Menschen die Neuregelung kennenlernen, sei es auch noch<br />
so gebrochen, desto besser für die Sprache.<br />
Gruner+Jahr<br />
Dem Bertelsmann-Tochterunternehmen Gruner+Jahr wurde aufgetragen, die Veröffentlichungen<br />
des Hauses auf die Neuregelung umzustellen. Dafür arbeitete die Henri-<br />
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