REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben
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Ihre besondere Verbundenheit mit dem Bertelsmann-Verlag bringt die Kommission<br />
durch ausdrückliche und ausschließliche Nennung des überarbeiteten Bertelsmann-<br />
Rechtschreibwörterbuchs (April 1999) zum Ausdruck. „Die anderen Wörterbücher<br />
werden so bald als möglich folgen.“ Um so auffälliger ist übrigens das Zögern des<br />
Hauses Duden, das bisher keine korrigierte Neufassung seines marktführenden<br />
Leitwörterbuchs, des eigentlichen Rechtschreibdudens, herausbrachte, obwohl die<br />
Ausgabe von 1996 den kapitalen Fehler der Getrenntschreibung von wiedersehen und<br />
zwanzig ähnlichen Verben enthält – die einzige Fehlinterpretation, die der Bericht, mit<br />
einem weiteren Seitenhieb gegen Duden, ausdrücklich für erwähnenswert hält. 79<br />
Für die Öffentlichkeit ist folgendes am wichtigsten: Die Kommission hat die seinerzeit<br />
untersagten, jedoch tatsächlich „unumgänglichen“ Korrekturen an den Kultusministern<br />
vorbei in die neuesten Wörterbücher hineingeschleust. Die Neuauflage der „Deutschen<br />
Rechtschreibung“ von Bertelsmann, der zehnbändige Duden (Rhein-Neckar-Zeitung<br />
vom 12.2.2000) und der einbändige Bertelsmann-Wahrig stellen mehr oder weniger<br />
konsequent, auf jeden Fall aber gegen den eindeutigen Wortlaut der amtlichen<br />
Neuregelung, die angemahnten Zusammenschreibungen in Fällen wie<br />
aufsehenerregend, nichtssagend, schwerbehindert und vielen anderen wieder her. Den<br />
Kultusministern wird hier etwas vorgemogelt: „Im Bereich der Getrennt- und<br />
Zusammenschreibung sowie im Bereich der Groß- und Kleinschreibung wurde Wert<br />
darauf gelegt, das Regelwerk konsequent anzuwenden und ihm zuwiderlaufende,<br />
lediglich als Zugeständnis an das Hergebrachte, Altgewohnte zu verstehende<br />
Schreibungen nicht zuzulassen.“ In Wirklichkeit kann von konsequenter Anwendung<br />
der Regeln keine Rede sein; an den genannten Stellen wird das genaue Gegenteil der<br />
amtlichen Regeln verkündet. Die Kommission hat über die Medien und brieflich<br />
versichert, die genannten Wörterbücher seien nunmehr „zuverlässig“ und es bestünden<br />
„keine Einwände“. 80<br />
Interessant sind die Bemerkungen zur Silbentrennung, die sich ja entgegen den<br />
eigentlichen Vorsätzen zu einem Hauptproblem der Neuregelung entwickelt hat. Es<br />
sollen nicht mehr alle Trennungen, „obschon prinzipiell möglich“, in den<br />
79 Dieser Fehler hat sich über die gesamte reformierte Rechtschreibliteratur ausgedehnt.<br />
Typisch sind Einträge wie der folgende: wieder sehen *, hat wiedergesehen; wieder<br />
finden *, hat wiedergefunden. (Fehlerfrei <strong>schreiben</strong>. Bearb. v. Diethard Lübke. Mit<br />
freundlicher Beratung von Dr. Klaus Heller, Institut für deutsche Sprache. Cornelsen<br />
Verlag 1997)<br />
80 „Presseerklärung der Kommission für die deutsche Rechtschreibung vom 17. August<br />
2000: Die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung erklärt: Die<br />
führenden deutschen Rechtschreibwörterbücher entsprechen der amtlichen Regelung.<br />
Einige Gegner der neuen Rechtschreibung haben in verschiedenen Stellungnahmen<br />
behauptet, dass die Zwischenstaatliche Kommission hinter dem Rücken der<br />
Kultusminister eine heimliche Reform der Reform über die Wörterbücher durchführt.<br />
Diese Behauptung ist falsch. Vielmehr verhält es sich so, dass die Wörterbücher, die<br />
unmittelbar nach Unterzeichnung der Wiener Absichtserklärung (1996) erschienen waren,<br />
eine Reihe von Differenzen enthielten. Auf Betreiben und unter Mithilfe der<br />
Zwischenstaatlichen Kommission einigten sich die großen Wörterbuchverlage seither auf<br />
eine einheitliche Auslegung der amtlichen Regeln. Sie haben dies in den jeweils neuesten<br />
Auflagen ihrer Rechtschreibwörterbücher umgesetzt: Bertelsmann im März 1999, Duden<br />
im August 2000. Beide Nachschlagewerke sind damit zuverlässige Ratgeber in<br />
orthografischen Fragen.“ (Der Umfang der Änderungen wird weiter unten<br />
nachgewiesen.)<br />
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