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REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben

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Eingriff im Sinne des Urteils; man wird den Vorgang aber heutzutage schwerlich als<br />

Vorbild für eine zulässige Sprachregelung anführen wollen.<br />

2. Der Staat darf die Sprache der gesamten Sprachgemeinschaft regeln, nicht nur<br />

die Schul- und Behördensprache. Das Urteil spricht in den zitierten Abschnitten<br />

ausdrücklich von der Sprache insgesamt und bejaht an anderen Stellen die auch im<br />

Urteil von Schleswig ausgesprochene und belegte Deutung, daß die<br />

Rechtschreibreform auf die gesamte deutsche Sprachgemeinschaft zielt.<br />

3. Der Staat darf die gesamte Sprache ändern, auch im Sinne eigener Erfindung.<br />

Im zweiten Abschnitt kehrt die Argumentation zwar zur Schrift zurück, doch ist nicht<br />

zu erkennen, daß die Ausführungen nicht auch auf die gesamte Sprache zu beziehen<br />

wären. Die Geschlossenheit der Argumentation erfordert dies geradezu. Vorausgesetzt<br />

wird, daß der Staat in bezug auf die Sprache überhaupt tätig werden darf und sogar<br />

muß, und in Frage steht nur noch, ob er nachzeichnen oder selbst erfinden darf. Selbst<br />

ein bloß nachzeichnender Staat versteht sich nicht von selbst, zumal weiterhin nicht<br />

bloß von der Schulsprache die Rede ist. Warum sollte es eine staatliche Aufgabe sein,<br />

der Sprachgemeinschaft eine Beschreibung ihrer Sprachgewohnheiten vorzulegen?<br />

Weit darüber hinaus geht aber die Ermächtigung, diesen Usus aus eigener Machtvollkommenheit<br />

zu verändern und damit die Sprachgemeinschaft zu zwingen, sich anders<br />

auszudrücken als bisher.<br />

Der Staat hat kein legitimes Interesse an der Lehr- und Lernbarkeit der Sprache,<br />

sondern nur an den Methoden des Lehrens und Lernens der Sprache. Dazu kam es<br />

durch die Verstaatlichung des Schulwesens.<br />

Daß die Reform neuerfundene Schreibweisen einführt, wird mehrfach bekräftigt; so<br />

stellt das Gericht noch einmal ausdrücklich fest,<br />

„daß durch die vorliegende Rechtschreibreform im Schulunterricht Rechtschreibregeln<br />

und Schreibweisen eingeführt werden, die nicht nur das Ergebnis<br />

einer historisch gewachsenen, vom Staat unbeeinflußten Schreibentwicklung sind<br />

und auch nicht lediglich eine sich im gesellschaftlichen Bereich immerhin<br />

anbahnende Schreibentwicklung vorwegnehmen, sondern jedenfalls teilweise auf<br />

reformerische Entscheidungen staatlicher Entscheidungsträger zurückgehen.“<br />

Dafür gibt es keine Legitimation, die angeführte ist ungültig. Die Sprache reguliert<br />

sich selbst. Was nicht lehr- und lernbar ist, überdauert nicht einmal den Schritt der<br />

Weitergabe an die nächste Generation. Den Kommunikationspartnern ist ja an nichts<br />

anderem gelegen als an ihrer gegenseitigen Verständigung. Folglich halten sie ihr<br />

Verständigungsmittel schon im eigenen Interesse in Ordnung. Das gilt auch für die<br />

Kommunikation mit der nachwachsenden und daher lernenden Generation. Lernbarkeit<br />

gehört zum Wesen der Sprache, sogar optimale Lernbarkeit darf man mit guten<br />

Gründen unterstellen. (Es würde zu weit führen, diese Gründe hier ausführlich<br />

darzustellen.) Daß der Staat das Gleichgewicht von Lernbarkeit für die Jungen und<br />

höchsten Ansprüchen an das Kommunikationsmittel der Erwachsenen besser<br />

austarieren könnte als die Sprachgemeinschaft selbst, ist eine Annahme von<br />

aberwitziger Kühnheit. Der Vergleich mit dem notorischen Versagen von<br />

Zentralverwaltungswirtschaften wäre eine Untertreibung.<br />

Erleichterte Lehr- und Lernbarkeit wird auch nur als eines der möglichen Motive<br />

staatlicher Sprachplanung erwähnt. Andere sind denkbar. Das Nächstliegende sind<br />

bestimmte Vorstellungen von politischer Korrektheit. Feministische, antirassistische<br />

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