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REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben

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• die vermehrte Großschreibung<br />

• die Beseitigung der Höflichkeitsgroßschreibung Du usw.<br />

• die neue Kommasetzung<br />

• die Augstschen (volks)etymologischen Neuschreibungen (schnäuzen, Tollpatsch).<br />

2. Der Vorschlag übernimmt aber so viel Problematisches aus dem amtlichen<br />

Regelwerk, daß auch die Reformkritiker ihn nicht akzeptieren können. Die Reform<br />

enthalte „brauchbare Ansätze“; „es wäre falsch, sie nicht zu übernehmen“. Ich mustere<br />

die vorgeschlagenen Übernahmen bzw. Zugeständnisse.<br />

• Känguru „analog zu Marabu“ usw. – Geschenkt!<br />

• Anders sieht es mit rauh/rau aus. Zwar trifft zu, daß in der Aussprache kein<br />

Unterschied zwischen rauhes und blaues besteht, aber das allein wäre kein Grund,<br />

eine ganze Reihe von Wörtern wie Rauhhaardackel, Rauhnächte usw., zu ändern.<br />

Hinzu kommt zweierlei: Durch Tilgung des h geht der Zusammenhang mit Rauchwerk<br />

(,Pelzwerk‘) verloren. Außerdem gehört rauh zu den Wörtern, denen das<br />

„Blickfang-h“ abhanden käme, das solche sinntragenden Wörter haben, denen sonst<br />

jede Ober- und Unterlänge fehlen würde. Die angeblichen Analoga haben sie: blau,<br />

schlau, genau usw. Die Reformer scheinen dafür durchaus Sinn zu haben, sonst<br />

würden sie ja wohl auch zä und ro einführen, für die das Argument der gleichen<br />

Aussprache mit und ohne h ebenfalls gilt. – Kurzum: kein Handlungsbedarf bei<br />

rauh!<br />

• überschwänglich kommt schon seit geraumer Zeit in Texten vor und sollte<br />

zugelassen werden, bei As/Ass ist die Änderung dagegen nicht angebahnt und daher<br />

überflüssig.<br />

• Die grundsätzliche Zustimmung zur 1901 abgeschafften, neuerdings wiederbelebten<br />

„Heyseschen“ s-Schreibung (fließen – Fluss). Die Akademie stellt zutreffend fest,<br />

daß diese Änderung wegen ihrer Häufigkeit in laufenden Texten das „Herzstück der<br />

Reform“ sei: „Wer sie akzeptiert, gibt zu erkennen, daß er die Neuregelung<br />

nicht grundsätzlich bekämpft. Das Umgekehrte gilt ebenfalls.“ Sie ist also<br />

hochsymbolisch, sozusagen der Geßlerhut, an dem sich die Bereitschaft zur<br />

Unterwerfung unter die Staatsgewalt am deutlichsten zeigt. Einleitend hat die<br />

Akademie unmißverständlich klargestellt, „daß dem Staat die Legitimation zu<br />

tieferen Eingriffen in die Rechtschreibung fehlt“. (Wieso „tieferen“? Was geht den<br />

Staat die Orthographie überhaupt an, wo er sich doch um Aussprache und<br />

Grammatik auch nicht kümmert?) Seltsamerweise schlägt die Akademie dann aber<br />

vor, „im Interesse einer Beilegung des Streites, zugunsten einer Wiederherstellung<br />

des ,Rechtschreibfriedens‘“, just diese Änderung zu übernehmen! Wie kann man<br />

hoffen, daß gerade dies den Frieden wiederherstellt? Sollen die Reformgegner<br />

gerade hier in die Knie gehen, wo es außerdem auch nach Ansicht der Akademie<br />

überhaupt keinen Änderungsbedarf gibt, denn die „Ersetzung des ß nach<br />

Kurzvokalbuchstaben durch ss ist weder systematisch geboten noch ist sie<br />

unproblematisch.“ Für Wörter wie Missstand wird sogar noch eine Ausnahme<br />

vorgeschlagen, so daß wir hätten Missbrauch, aber Mißstand! Wie und warum<br />

überhaupt sollen Schüler das lernen? Dabei war die bisherige Schreibung so<br />

leserfreundlich wie leicht lernbar, bis auf das/daß – aber dies bleibt ja erhalten<br />

(das/dass)! Wenn schon, dann sollte eher daß als Ausnahme bestehen bleiben, denn<br />

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