REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben
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ministers in den ersten Reformansätzen der Nachkriegszeit wieder aktiv, so daß es<br />
durchaus eine Kontinuität der Personen und Ideen gibt.<br />
Der wesentliche Gehalt der Rustschen Reform geht aus einem Beitrag des<br />
Mitverfassers Karl Reumuth hervor, der im Sommer 1944 in mehreren deutschen<br />
Zeitungen 76 abgedruckt war und 1953 durch den „Sprachwart“ aufs neue bekannt<br />
gemacht worden ist. Darin heißt es:<br />
„Mit behutsamer Hand hat der Gesetzgeber eine kleine Reform der Rechtschreibung<br />
durchgeführt. Er ist bei der Einführung neuer Schreibweisen dem<br />
Sprachgebrauch nachgegangen, der sich ganz unabhängig von der gesetzlichen<br />
Regelung bereits herausgebildet hat. Die neue Regelung erstreckt sich vor allem<br />
auf die Schreibung der Fremdwörter. Sie gibt den Weg zu einer eingedeutschten<br />
und vereinfachten Schreibung der Fremdwörter frei.<br />
Im praktischen Leben haben sich schon längst die Schreibungen Fotograf,<br />
Telefon, Frisör, Keks (für Cakes), Schal durchgesetzt. Diese neuen Schreibungen<br />
waren auch schon halbamtlich anerkannt. Das neue Regelbuch dehnt nunmehr die<br />
eingedeutschte Schreibweise auf alle Fremdwörter aus und ordnet folgerichtig an,<br />
daß die Buchstaben ph und th in Fremdwörtern durch f und t ersetzt werden und<br />
daß auch das h nach r wegfällt. Da der Gesetzgeber die allmähliche Anpassung an<br />
die neue Schreibung ermöglichen will, fügt er dieser Bestimmung hinzu, daß der<br />
bisherige Schreibgebrauch mit ph, th und rh weiterhin zulässig ist.<br />
Jede Rechtschreibform muß mit der Schreckwirkung rechnen, die die neuen<br />
Wortbilder im Leser und Schreiber hervorbringen. Aus diesem Grunde erlaubt der<br />
Gesetzgeber die Doppelschreibung. Es kann also nunmehr geschrieben werden:<br />
Filosof, Fosfor, Difterie, Sfäre, Sinfonie, Strofe, Rabarber, rytmisch, Teater, Tese,<br />
teoretisch. Die Endsilbe eur in Fremdwörtern nimmt die deutsche Schreibweise<br />
an, also: Frisör, Likör, Schofför. Darüber hinaus ist die Schreibung folgender<br />
Wörter eingedeutscht worden: Kautsch (Langliege), Majonnäse, Miliö, Ragu,<br />
Tambur, Träner, Tur (auf Turen bringen).<br />
Das neue Regelbuch enthält noch einige andere wichtige Bestimmungen. Es<br />
bringt eine erfreuliche Klärung in die Schreibung einiger Redewendungen: Ich<br />
fahre Rad, ich fahre Schlitten, ich schreibe Maschine. Bisher schrieb man: Ich<br />
fahre rad, aber: Ich fahre Schlitten. In diesen Fällen wird die einheitliche<br />
Großschreibung angeordnet. Es wird darüber hinaus empfohlen, die Grundform<br />
auseinanderzu<strong>schreiben</strong>, also: Rad fahren, Schlitten fahren usw. Man empfindet<br />
in diesen Redewendungen die Wörter Rad, Schlitten usw. noch ganz deutlich als<br />
Hauptwörter.<br />
Die Frage der allgemeinen Groß- und Kleinschreibung ist in dieser kleinen<br />
Reform noch nicht geregelt worden, sie bleibt für Lehrer und Schüler noch das<br />
Schulkreuz. Wir müssen weiterhin in der Schreibung unterscheiden: Er ist schuld,<br />
es ist seine Schuld; mir ist angst, ich habe Angst. Der Gesetzgeber lockert aber<br />
die Bestimmungen auf. Da sich diese Unterschiede nur schwer in Regeln fassen<br />
lassen, sollen die Abweichungen von der richtigen Schreibung nicht als<br />
Rechtschreibfehler gelten. Die Schüler werden diese Großzügigkeit des<br />
Gesetzgebers dankbar begrüßen.<br />
76 Zum Beispiel in der „Dortmunder NS-Zeitung“ vom 28.6.1944. (Ich danke H.<br />
Bodensieck, Universität Dortmund, für diesen Hinweis.)<br />
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