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REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben

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Zur Kritik im einzelnen:<br />

Einleitung<br />

Um den Vorwurf abzuwehren, die neue Rechtschreibkommission sei im Grunde die<br />

alte und daher kaum in der Lage, ihr Werk angemessen zu korrigieren, legen die<br />

Verfasser auf die Feststellung Wert, die Kommission sei mit dem Internationalen<br />

Arbeitskreis „nicht identisch“. Das ist nur die halbe Wahrheit; die andere Hälfte besteht<br />

darin, daß sieben der elf Kommissionsmitglieder (zunächst: acht von zwölf) bereits<br />

dem Internationalen Arbeitskreis angehörten, der das Reformwerk geschaffen hat. Es<br />

gibt also eine überwältigende personelle Identität, und diese ist es, die – neben den<br />

schlechten Erfahrungen mit der Neuregelung – Zweifel an der Eignung der<br />

Kommission aufkommen läßt.<br />

Dreißig (in Wirklichkeit 36) Verbände und Institutionen „sind eingeladen“, am 23.<br />

Januar 1998 an einer Anhörung teilzunehmen und vorher schon Kurzfassungen ihrer<br />

Stellungnahmen einzureichen. Tatsache ist, daß noch Anfang Januar 1998 nicht alle<br />

Institutionen die Einladung erhalten hatten und der hier kommentierte „Bericht“<br />

überhaupt noch nicht verschickt worden war. Die Studiengruppe Geschriebene Sprache<br />

und die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung sind gar bereits zu Gesprächen<br />

am 17. bzw. 19. Januar eingeladen und hatten den Bericht am 5. Januar noch nicht<br />

erhalten! 113 Im Rückblick auf die Anhörung vom 4. Mai 1993 bemängelt der Reformer<br />

Hermann Zabel, daß die meisten Teilnehmer ihre Stellungnahmen abgaben, ohne die<br />

Mitglieder ihrer Verbände befragt zu haben. 114 Im Gegensatz zu damals gibt es heute<br />

schon aus Termingründen nicht die geringste Möglichkeit, eine solche<br />

Mitgliederbefragung durchzuführen.<br />

Sowohl im Bericht als auch in einer vorbereitenden „Pressemitteilung“ vom 18.<br />

Dezember 1997 und in der Einladung zur Anhörung sagt die Kommission, sie habe<br />

„ernst zu nehmende“ und „sachliche“ Kritik an der Neuregelung geprüft; dies schränkt<br />

sie jedoch sogleich auf „konstruktive“ Kritik ein und stellt sie der „emotionalen“<br />

gegenüber (Pressemitteilung und Bericht). Mit der Möglichkeit einer sowohl<br />

sachlichen als auch destruktiven Kritik rechnet sie offenbar nicht. Das erklärte Ziel<br />

von Bericht und Anhörung ist es denn auch, die „Akzeptanz der neuen<br />

Rechtschreibung“ (Einladung und Bericht) oder gar die „Akzeptanz gegenüber [!] der<br />

Neuregelung“ (Pressemitteilung) zu erhöhen.<br />

Die unermüdlich (auch von den Kultusministern) wiederholte Beteuerung, man wolle<br />

zur „Versachlichung“ der Diskussion beitragen, erweist sich als Versuch, jedermann<br />

auf eine positive Einstellung zur Reform festzulegen. Die seit langem vorliegenden<br />

sprachwissenschaftlichen Argumente und Analysen werden großenteils übergangen,<br />

weil sie gerade wegen ihrer wirklichen Sachlichkeit zu vernichtenden Bewertungen der<br />

gesamten Reform gelangen und daher in den Augen der Reformwilligen eo ipso<br />

„emotional“ sein müssen. Leider nennt die Kommission keine Namen, so daß man<br />

nicht erkennt, welche „hochemotionalen Reaktionen“ in „manchen Broschüren“ sie mit<br />

ihren ironischen Bemerkungen in die pathologische Ecke zu schieben versucht.<br />

Die Ausführungen über Usus und Norm sind problematisch. Es wird nicht begründet,<br />

113 Die Akademie sagte ihre Teilnahme an dieser Runde ab.<br />

114 Zabel 1996, S. 66.<br />

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