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REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben

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liegenden Prinzipien einer breiteren Öffentlichkeit verständlich zu machen“, ist<br />

lächerlich, da der Bericht nur wenigen Personen zugestellt worden ist. Nicht einmal<br />

alle Teilnehmer der Anhörung haben ihn bisher erhalten. Auch sollte man das<br />

bombastische Gerede von den „Prinzipien“ der Neuregelung allmählich aufgeben, da<br />

die „haarsträubende Unsystematik“ der Neuregelung – wie Werner H. Veith es nennt 126<br />

– inzwischen hinreichend bekannt ist.<br />

Zum 2. Absatz: Die Betonung wird nicht als „zusätzliches“ Kriterium vorgeschlagen,<br />

sondern als nunmehr entscheidendes; dagegen ist die Rolle der Erweiter- und<br />

Steigerbarkeit nicht mehr genau zu erkennen. Näheres in meiner ausführlichen<br />

Stellungnahme zum Bericht der Kommission. Es fällt auf, daß auch „Bedeutungsunterschiede“<br />

zur Rechtfertigung unterschiedlicher Schreibungen herangezogen<br />

werden sollen. Die Neuregelung selbst sieht bekanntlich von Bedeutungsunterschieden<br />

weitestgehend ab.<br />

Wenn die Getrennt- und Zusammenschreibung in der Schreibwirklichkeit nur „eine<br />

geringe Bedeutung“ hat – weshalb mußte sie dann überhaupt geändert werden? Nach<br />

übereinstimmendem Urteil aller Sprachwissenschaftler ist die Neuregelung dieses<br />

Bereichs das eigentliche „Kuckucksei“ der Reform, der am deutlichsten mißlungene<br />

Teil, bei dem daher auch nach dem Urteil der Zwischenstaatlichen Kommission „die<br />

Notwendigkeit eines Eingriffs ... unumgänglich“ ist (Entwurf des Berichts, S. III; in<br />

der Endfassung weggefallen, doch die Stilblüte ist noch in frischer Erinnerung). Es<br />

überrascht daher, daß die KMK nunmehr die Einwände ihrer eigenen Kommission als<br />

unbeachtlich beiseite wischt. Die Fachbeamten und Amtschefs scheinen sich selbst für<br />

die kompetenteren Experten zu halten, sonst würden sie sich nicht über das Urteil der<br />

eigens berufenen Fachleute hinwegsetzen. (Nach Auskunft von Insidern haben sie das<br />

allerdings schon immer getan.)<br />

Die Neuregelung führt bei der forcierten, erklärtermaßen gegen eine Entwicklungstendenz<br />

des Deutschen gerichteten Getrenntschreibung teils zu ungrammatischen<br />

Schreibweisen, teils zur Beseitigung von mehreren hundert, wahrscheinlich sogar<br />

einigen tausend Komposita aus dem deutschen Wortschatz. Das ist selbst für eine<br />

Übergangszeit nicht hinnehmbar. Das geschäftliche Interesse des ausdrücklich zitierten<br />

Hauses Duden an einer Beibehaltung der unkorrigierten Neuregelung kann<br />

demgegenüber nur als nachrangig gelten.<br />

Die KMK meint feststellen zu können, „dass die schärfsten Kritiker der Rechtschreibreform<br />

in dem jetzt unterbreiteten Kommissionsvorschlag keine Kompromisslinie“<br />

sehen (Hervorhebung im Original). Dies soll offenbar – freilich in sehr verkürzter<br />

Form – als weitere Begründung dafür dienen, die Regeln vorerst nicht zu korrigieren.<br />

Die KMK geht ebenso wie die Verfasser der Neuregelung seit langem davon aus, daß<br />

die Rechtschreibreform – scheinbar gut „demokratisch“ – auf dem Wege eines<br />

„Kompromisses“ zustande kommen müsse, und zwar auf den verschiedensten Ebenen:<br />

• Einerseits mußten die beteiligten Wissenschaftler, wie sie oft beklagt haben,<br />

„Kompromisse“ mit den Kultusbeamten und -bürokraten eingehen. Das ging bis zur<br />

Selbstverleugnung, denn gerade die zentralen Zielvorstellungen der Reformer, also<br />

die Kleinschreibung der Substantive, die orthographische Fremdworteindeutschung<br />

und die Beseitigung der Dehnungszeichen, mußten im Zuge dieses Kompromisses<br />

aufgegeben werden.<br />

126 Eroms/Munske [Hg.], 1997, S. 246.<br />

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