REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben
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Das Werk ist selbst in einer neuen Rechtschreibung abgefaßt, allerdings nicht in der<br />
amtlichen. Augst sagt dazu:<br />
„Das Wörterbuch ist in der neuen Rechtschreibung abgefasst, wie sie im Oktober<br />
1996 im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde. Die Nachbesserungen, die die<br />
'Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung' vorgeschlagen<br />
hat, sind – soweit mit dem Redaktionsschluss 31.12.1997 bekannt –<br />
berücksichtigt worden.“ (S. XXIII)<br />
Als Augst dies schrieb, wußte er schon, daß die Kultusminister die Revisionsvorschläge<br />
der Kommission, deren Vorsitzender er ist, zunächst begrüßt, dann aber mit<br />
Rücksicht auf die Verlegerlobby zurückgewiesen hatten. Er weiß aber offenbar auch,<br />
daß die Änderungen (und zahlreiche weitere) auf jeden Fall kommen werden, da sie<br />
aus sachlichen Gründen „unumgänglich notwendig“ sind, wie die Kommission in<br />
jenem Bericht festgestellt hatte. Nur deshalb kann er zuversichtlich <strong>schreiben</strong>, es seien<br />
durch jenen Bericht „Freizonen geschaffen worden“. „Geschaffen“ wird durch bloße<br />
Vorschläge natürlich nichts, aber man kann sicher sein, daß die Kultusminister ihre<br />
amtliche Regelung bald durch eine ziemlich andersartige ersetzen werden. (Das hat<br />
auch der Bundesinnenminister angedeutet, vgl. Bundestagsdrucksache 14/356, 1999.)<br />
Aufs neue wird damit deutlich, daß die zur Zeit „gültige“ Orthographie nur eine<br />
Übergangsschreibung ist, so daß es weder Zeit noch Mühe noch Kosten lohnt, sich<br />
darauf umzustellen.<br />
Von der „Freizone“, die Augst sich entgegen dem Veto der Kultusminister genehmigt,<br />
macht er zum Beispiel Gebrauch, wenn er blutsaugend wieder zusammenschreibt<br />
(unter Egel), nachdem alle Wörterbücher es nach und nach getrennt haben. Allerdings<br />
sind die meisten auseinandergerissenen Komposita vom Typ furchterregend noch nicht<br />
wiederhergestellt; anders als in der Vorlage fehlen sie einfach, obwohl ihre Existenz<br />
zum Beispiel durch leicht belegbare Steigerungsformen (am furchterregendsten usw.)<br />
zweifelsfrei feststeht. Der Lexikograph versäumt hier seine erste Pflicht: die Tatsachen<br />
zu ermitteln. jdm. feind sein kann nach Augst auch wieder klein geschrieben werden;<br />
die Linguisten haben sich umsonst aufgeregt. Der Eintrag: „jmdm. Todfeind/Todfeind,<br />
Schr. tod- feind sein“ ist allerdings kryptisch. (Schr. soll für Schreibung stehen.)<br />
Interessanterweise verwendet Augst auch das Wort Zeitlang (unter weilen), dessen<br />
Ersetzung durch Zeit lang vom amtlichen Wörterverzeichnis zwingend vorgeschrieben<br />
wird. Nach dem Muster von Zeitlang konnte man vermuten, daß die Neuregelung auch<br />
die deutschen Wörter Armvoll, Handbreit usw. auszutilgen beabsichtigt. Augst führt<br />
Handbreit an, jedoch nicht Armvoll, obwohl beide im HDG vorgegeben sind. Diese<br />
Inkonsequenz ist nicht nachvollziehbar. Mundvoll fehlt im HDG, folglich auch bei<br />
Augst. Er schreibt Fair play, wie bisher; die Neuregelung verlangt Fair Play. Obwohl<br />
die Neuregelung frittieren zwingend vorschreibt, bleibt Augst bei fritieren. Neben der<br />
erzwungenen Großschreibung aller Ordinalia kennt er auch groß geschriebene<br />
Kardinalia: das Erste von Zweien.<br />
Unter Leid findet man, wie erwartet, die Neuschreibung er tut mir Leid, weil er so<br />
krank ist; aber wenige Zeilen später auch<br />
„leid /Adj.; nicht attr./ /nur in den Wendungen/ l. sein, werden, tun“<br />
Das ist die eigenmächtige Wiederherstellung von leid tun, wie vor der Mannheimer<br />
Anhörung vorgeschlagen, aber dann doch nicht genehmigt.<br />
Für die Rechtschreibreform ergibt sich, daß zur Zeit neben der alten und der neuen<br />
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