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REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben

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„Entscheidungsprozeß“ vielmehr abgeschlossen sei, ist seither von den Reformern und<br />

ihren politischen Auftraggebern vielfach betont worden. (Vgl. etwa die „Dresdner<br />

Erklärung“ der Kultusminister vom 25. Oktober 1996, eine wütende Antwort auf die<br />

„Frankfurter Erklärung“. Sie stammt der ganzen Diktion nach offenbar aus dem Institut<br />

für deutsche Sprache.)<br />

Im übrigen erscheint die Beerbung der Dudenredaktion durch eine staatlich beauftragte<br />

Kommission, in der die Reformer selbst den Ton angeben, mehr und mehr als Hauptzweck<br />

der gesamten neueren Reformbewegung. A&S fassen nun tatsächlich als<br />

nächste (in der Wiener Absichtserklärung noch nicht erwogene und auch danach lange<br />

Zeit nie erwähnte) Aufgabe der Kommission die Abfassung eines<br />

Rechtschreibwörterbuchs ins Auge.<br />

5. Die Anwendung des Regelwerks in den Wörterbüchern<br />

Die Zahl der Abweichungen zwischen den Wörterbüchern läßt sich nicht objektiv<br />

bestimmen, da unterschiedliche Zählweisen möglich sind. Fest steht, daß es sehr viele<br />

Abweichungen gibt. Zum Teil liegen sie an der außerordentlichen Fehlerhaftigkeit des<br />

Bertelsmann-Wörterbuchs. Die Zahl von 8000 Abweichungen ist aus dem Kreise der<br />

Reformkommission selbst genannt und mehrfach bestätigt worden. 96 Augst selbst gab<br />

bekannt, daß eine Stichprobe beim Buchstaben F rund 35 Zweifelsfälle ergeben habe.<br />

Das bedeutet rund 1000 klärungsbedürftige Zweifelsfälle im gesamten Wörterbuch.<br />

Die Abweichungen und die fehlerhaften Auslegungen auch dort, wo die Wörterbücher<br />

inzwischen übereinstimmen (z. B. bei getrennt geschriebenem wieder sehen) deuten<br />

zumindest darauf hin, daß das Regelwerk es an Eindeutigkeit fehlen läßt. Das ist<br />

bedenklich genug und verweist noch einmal auf die Notwendigkeit eines Probelaufs<br />

und einer gründlichen Diskussion vor der Einführung in die Schulen.<br />

Selbstverständlich gab es auch bisher Abweichungen zwischen den Rechtschreibwörterbüchern.<br />

Allerdings war nur der Duden verbindlich; alles andere, soweit<br />

substantiell abweichend, war schlicht falsch. Das ist jetzt grundsätzlich anders. A&S<br />

übergehen diesen entscheidenden Unterschied.<br />

6. Die Dichter/Schriftsteller und die neue Rechtschreibung<br />

A&S begrüßen zunächst die zu erwartende Vielfalt der nebeneinander bestehenden<br />

Rechtschreibungen. Die Schüler könnten daran lernen, daß Rechtschreibung nichts Un-<br />

Kontra, Berlin 1997, S. 222) – In einem oben bereits angeführten Standardbrief der<br />

Mannheimer Kommission heißt es: „Wir möchten Sie darauf aufmerksam machen, dass<br />

nach der Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung in Wien weitere Änderungen<br />

vorerst grundsätzlich nicht mehr möglich sind.“ – Am 23.1.1997 gaben Zeitungen eine<br />

Mitteilung des IDS wieder, wonach die Aufgabe der Kommission „keineswegs die<br />

Korrektur des beschlossenen Reformwerks“ sei. „Die ‚von Reformgegnern erzeugte<br />

Sorge‘, die Rechtschreibreform werde schon vor der endgültigen Umsetzung ‚repariert<br />

oder korrigiert‘, sei gegenstandslos.“ (Fränkischer Tag vom 23.1.1997) Übrigens ist nie<br />

erklärt worden, wer das IDS überhaupt ermächtigt hat, derartige Interpretationen und<br />

Proklamationen hervorzubringen. Es betätigte sich bis zur Konstituierung der<br />

zwischenstaatlichen Kommission am 25.3.1997 als Agitationszentrale für die Reform –<br />

ohne Auftrag und Befugnis. Auch später noch gab das Institut offiziöse Stellungnahmen<br />

ab, so etwa im August 2000, als wiederum gemeldet wurde, daß die Reform im Rückbau<br />

begriffen sei, und das IDS dies dementierte.<br />

96 Saarbrücker Zeitung vom 14.7.1997.<br />

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