REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben
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österreichischen Beirats, Ministerialrat Dr. Fritz Rosenberger, Leiter der Gruppe<br />
V/E. BMBWK (Wien) teil.“ (S. 6)<br />
Diese Darstellung hat etwas Verwirrendes. Zuerst heißt es, auch „die übrigen“<br />
Mitglieder der Kommission hätten an der Beratung teilgenommen, also insgesamt alle<br />
zwölf, aber dann ist plötzlich davon die Rede, einige österreichische und Schweizer<br />
Mitglieder seien „als Gäste“ dabeigewesen. Dahinter verbirgt sich also wieder der<br />
ohnehin wenig bekannte Umstand, daß nur die sechs deutschen Mitglieder der<br />
Kommission sich überhaupt vom deutschen Beirat beraten lassen.<br />
Zu Teil A des Berichts<br />
Die Kommission bemüht sich, die hohe Akzeptanz der Reform in der Bevölkerung zu<br />
belegen. So deutliche Zeichen der Nichtakzeptanz wie der Volksentscheid in<br />
Schleswig-Holstein werden begreiflicherweise nicht erwähnt, auch nicht die Tatsache,<br />
daß Behörden und Schulen nur zwangsweise die Neuregelung anwenden und daß auch<br />
die Zeitungsredaktionen nicht freiwillig umstellten.<br />
Ferner wird in diesem Teil durchgehend die Fiktion aufrechterhalten, daß es „die“ neue<br />
Rechtschreibung überhaupt noch gebe. Die seit 1998 vorgenommenen, aber nur mit<br />
Bertelsmann und Duden abgesprochenen Änderungen werden nicht erwähnt.<br />
Im ersten Kapitel berichten die Verfasser über Erfahrungen mit der Rechtschreibreform<br />
im muttersprachlichen Unterricht deutscher Schulen. Wie an mehreren anderen Stellen<br />
weisen sie darauf hin, daß die „verpflichtende Umsetzung“ erst drei Jahre zuvor<br />
begonnen habe, die Ergebnisse also noch nicht sehr aussagestark sein könnten. In<br />
Wirklichkeit wurde an den meisten Schulen schon 1996, also fünf Jahre zuvor, mit der<br />
Umsetzung begonnen, und die Kultusminister sahen sich Anfang 1998 – also ein<br />
halbes Jahr vor dem Inkrafttreten – bereits im Besitz von hinreichenden Erfahrungen,<br />
um behaupten zu können: „Die Schulen kommen mit der Neuregelung gut zurecht.“ (s.<br />
o. S. 167) Als weitere Erschwernis wird angegeben, daß unter den Schülern viele<br />
Umlerner seien, wogegen die Vorzüge der Neuregelung nur bei Neulernern voll zur<br />
Wirkung gelangen könnten. Drittens gelte:<br />
„Noch immer sind – innerhalb und (zumal) außerhalb der Schule – Texte in alter<br />
Rechtschreibung weit verbreitet. Hier liegt – da normgetreues Schreiben nicht nur<br />
durch Regelvermittlung erlernt, sondern auch durch Einprägen von Wortbildern<br />
erreicht wird – zweifellos ein Hindernis. Das gilt auch für die in den Schulen<br />
verwendeten Schulbücher, denn auch wenn die Lernmittel in unterschiedlichem<br />
Ausmaß umgestellt sind, so sind doch noch zahlreiche Bestände vorhanden, vor<br />
allem in den Ländern, in denen Lernmittelfreiheit nach dem Ausleihprinzip<br />
durchgeführt wird.“<br />
Die Kommission kommt zu dem Ergebnis, „dass die Umsetzung der Neuregelung in<br />
den Schulen problemlos erfolgt ist.“ Das ist bei der Vagheit der Beweismittel nicht zu<br />
widerlegen, man braucht es aber auch nicht zu glauben. Was die Zufriedenheit der<br />
Lehrkräfte mit den angeblichen „Erleichterungen“ betrifft – wobei hier die Art der<br />
Datenerhebung gar nicht näher untersucht werden soll –, so muß man bedenken, daß<br />
die meisten Lehrer das amtliche Regelwerk nicht kennen, sondern Kurzfassungen und<br />
Handreichungen besitzen, die ein vereinfachtes Bild der Neuregelung und damit den<br />
Eindruck einer vereinfachten Rechtschreibung vermitteln.<br />
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