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REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben

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„4. März 1997<br />

Zur dpa-Meldung lby vom 4. März 1997 („Lehrerinitiative gegen Rechtschreibreform“)<br />

stellt das Bayerische Kultusministerium fest:<br />

Aus dem Tiefschlaf erwacht!<br />

Bayerische Lehrer, die sich der neugegründeten Initiative „Wir Lehrer gegen die<br />

Rechtschreibreform“ anschließen, müssen sich fragen lassen, was sie in den<br />

letzten Jahren eigentlich gemacht haben. Im März 1995 brachte die<br />

Lehrerzeitschrift „schulreport“ bereits einen vierseitigen Überblick über die<br />

wichtigsten Änderungen mit Literaturhinweisen zur Information aller Lehrer.<br />

Gleichzeitig wurden die Eltern in der Zeitschrift „Schule aktuell“ informiert. Im<br />

August 1995 veröffentlichte das Ministerium ein Schreiben an alle Schulen mit<br />

der Bitte an die Deutschlehrer, sich mit den vorgesehenen Neuregelungen vertraut<br />

zu machen und Schüler und Eltern über den Stand der Dinge zu informieren. Im<br />

Juni 1996 veröffentlichte „schulreport“ eine abschließende 8seitige Zusammenfassung<br />

der Änderungen für die Hand der Lehrer, gleichzeitig informierte<br />

„Schule aktuell“ die Eltern mit Beispielen zur neuen Schreibung. Zeitgleich mit<br />

der Unterzeichnung der gemeinsamen Absichtserklärung in Wien wandte sich<br />

Kultusminister Zehetmair am 1. Juli 1996 an die Schulen mit abschließenden<br />

Hinweisen zur Umsetzung der Neuregelung. Ebenfalls im Juli 1996 erschien eine<br />

Sondernummer des Amtsblattes mit den Neuregelungen. Die Lektüre des<br />

Amtsblattes gehört zu den Dienstpflichten jedes Lehrers. Noch vor Beginn des<br />

neuen Schuljahres erhielten die Schulen darüber hinaus eine 112seitige Handreichung<br />

des ISB, in der die Neuregelung bezogen auf die Lehrpläne der<br />

einzelnen Schularten didaktisch und methodisch aufbereitet wurde.<br />

Nunmehr, über eineinhalb Jahre nach der bindenden Aufforderung, sich mit der<br />

Neuregelung vertraut zu machen und auch die Schüler entsprechend zu<br />

informieren, wirft die Gründung einer Lehrerinitiative gegen die Rechtschreibreform<br />

ein bezeichnendes Licht auf alle, die ihr beigetreten sind. Wie haben es<br />

die Unterzeichner in den letzten Jahren mit der Wahrnehmung ihrer Dienstpflichten<br />

gehalten?<br />

Bayerisches Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst,<br />

Toni Schmid, Pressereferent“<br />

Es ist das gute Recht aller Lehrer, eine Initiative zu gründen, und sie brauchen sich<br />

vom Ministerium nicht den Zeitpunkt einer solchen Gründung vor<strong>schreiben</strong> zu lassen.<br />

Der nahegelegte Verdacht der Dienstpflichtverletzung soll offenbar andere Lehrer<br />

abschrecken, sich der Initiative anzuschließen. Unüblich ist es auch, daß der Dienstherr<br />

öffentlich gegen seine Beamten polemisiert; ihm stehen ja andere<br />

Disziplinierungsmittel zur Verfügung.<br />

Zur Sache ist zu sagen: Die genannten Informationsschriften geben selbstverständlich<br />

nur einen sehr unvollständigen Eindruck von der geplanten Neuregelung, und das<br />

Studium des Amtsblattes, d. h. des gesamten Originaltextes der Neuregelung, kostet<br />

selbst einen berufsmäßigen Sprachwissenschaftler ungefähr ein Jahr konzentrierte<br />

Arbeit. Der Ministerialrat weiß genau, daß es keinem Lehrer zuzumuten ist, während<br />

der Sommerferien das amtliche Regelwerk zu studieren. Sogar die Reformer selbst<br />

waren ja nicht wenig überrascht, als sie mit den Auswirkungen ihres Produktes auf die<br />

deutsche Grammatik und auf den Gesamtwortschatz konfrontiert wurden. Die nicht<br />

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