REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben
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Kombination von Getrennt- und Kleinschreibung in der Neuregelung<br />
systematisch beseitigt worden ist.“ (S. 73)<br />
Gerade dies war ein Kardinalfehler der Neuregelung, geboren aus jenem früh gefaßten<br />
Vorurteil von der „zwitterhaften“ Kombination, die ja die im Deutschen seit langem<br />
übliche war. Die Reformer erweisen sich hier als Gefangene ihrer willkürlichen, den<br />
Schreibgebrauch mißachtenden Festlegung, die niemals mehr zur Disposition gestellt<br />
wurde. In dieser selbstverschuldeten Zwangslage sehen sie sich dann genötigt, die<br />
völlig neuen Zusammenschreibungen außeracht usw. als Alternative zu erwägen.<br />
Sehr sonderbar beginnen die Ausführungen zu Recht haben:<br />
„Die französische Entsprechung avoir raison legt es nahe, dass in dieser Verbindung<br />
das Substantiv (das) Recht und nicht das Adjektiv recht vorliegt.“ (S. 74)<br />
Wozu dieser Ausflug ins Französische, wo doch das Deutsche selbst klar zeigt, daß es<br />
sich nicht (mehr) um das Substantiv handeln kann: wie recht du damit hast usw.?<br />
Im übrigen schlagen sich die Reformer in dem erstaunlich umfangreichen Kapitel über<br />
die Groß- und Kleinschreibung wie bisher mit den Begriffen „Eigenname“,<br />
„eigennamenähnlich“, „feste Fügung“ usw. herum, weil sie die Tatsache („offensichtliche<br />
Tendenz“, S. 79) nicht bestreiten können, daß die Sprachgemeinschaft mehr<br />
und mehr Verbindungen aus Adjektiv und Substantiv groß schreibt und auch die<br />
Nachrichtenagenturen sich von der verordneten Kleinschreibung ausdrücklich<br />
distanziert haben.<br />
Der Grund der Misere liegt darin, daß die Reformer sich weiterhin weigern, den<br />
wahren Grund der Großschreibung zu erkennen. Zuerst versuchen sie es mit dem<br />
Begriff der festen, d. h. phraseologischen Verbindung und wundern sich dann, daß<br />
komischer Vogel, direkte Verbindung oder schöne Bescherung nicht ebenfalls groß<br />
geschrieben werden. In Wirklichkeit hat die Großschreibung von Erste Hilfe,<br />
Schwarzes Brett, Schneller Brüter usw. mit Phraseologie gar nichts zu tun. Vielmehr<br />
geht es darum, nomenklatorische von rein be<strong>schreiben</strong>den Ausdrücken zu<br />
unterscheiden. Diese Erklärung ist den Reformern bekannt, sie gehen aber nicht darauf<br />
ein. Statt dessen erwägen sie, ob es sich bei der Roten Karte usw. um eine<br />
„Aufmerksamkeitsgroßschreibung“ handele und damit um eine typographische (!)<br />
Angelegenheit wie „Kursiv- oder Fettdruck“, die vom amtlichen Regelwerk nicht<br />
behandelt werden müsse (S. 84). Diese offensichtlich fruchtlose Erörterung wird dann<br />
ergebnislos abgebrochen.<br />
„Adjektivische Ableitungen von Eigennamen“<br />
Hier wird gar nicht beachtet, daß „Adjektive“ höchst heterogen sind und vor allem die<br />
Bezugsadjektive, um die es bei der Großschreibung Ohmsches Gesetz geht, eine<br />
Sondergruppe bilden. Die zum Vergleich – und Erweis der angeblichen Unzulänglichkeit<br />
der bisherigen Regelung – herangezogenen Adjektive „auf -esk und -istisch<br />
wie in kafkaesk, darwinistisch“ (ebd.) sind keine Bezugsadjektive, sondern qualitative,<br />
folglich prädikativ verwendbare. Der „adjektivische Wortartstatus“, an dem sich die<br />
Neuregelung orientiert (ebd.), ist also etwas sehr Uneinheitliches, und es ist kein<br />
Wunder, wenn sich die Intuition der Schreibenden gegen die Neuerung sträubt. Als<br />
Anlaß für neue Überlegungen wird lediglich angegeben, daß „manche Schreibende vor<br />
der generellen Kleinschreibung der Ableitungen zurückschrecken und auch nicht<br />
Gebrauch von der Möglichkeit machen, den Personennamen zur Hervorhebung mit<br />
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