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REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben

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daß auch die anders ausgeführte Strafe des Blendens noch erinnerlich ist. Das Wort<br />

Blendung (wie im Titel von Canettis Roman) fehlt ganz. Übrigens schließt Augst mit<br />

der Bemerkung: „Etym. gehört blenden (= blind machen) zu blind; heute?“ In<br />

Wirklichkeit dürfte der Zusammenhang ganz lebendig sein, aber man könnte es ja<br />

nachprüfen. Das mehrere hundertmal vorkommende heute? verweist auf ebenso viele<br />

unterlassene Nachforschungen. – Brunft geht anders als Brunst nicht wirklich auf<br />

brennen zurück. – erben 2 ist falsch definiert: ,(biolog.) Anlagen übertragen‘. – Unter<br />

föderal merkt Augst an: „Beachte die Wortbildungsparallele föderieren –<br />

konföderieren, Föderierte – Konföderierte, Föderation – Konföderation.“ Warum diese<br />

Banalität beachtenswert sein soll, ist nicht klar. Sie gefällt dem Verfasser aber so gut,<br />

daß er unter drängen, existieren, Referat nochmals auf ähnliche „Parallelen“ hinweist.<br />

– Frost steht etymologisch korrekt unter frieren, aber was denken sich die Informanten<br />

dabei? Der Zusammenhang liegt ja nicht auf der Hand. Das gilt auch für andere Fälle<br />

von grammatischem Wechsel, z. B. verlieren – Verlust. Zu Verlies immerhin gibt AUGST<br />

richtig an, daß manche Sprecher es zu verlassen stellen (weshalb es übrigens<br />

oberdeutsch eine Zeitlang Verließ geschrieben wurde; die orthographische Fehlerquelle<br />

besteht auch heute noch). – Granat, Granate und Granit gehen nicht auf lat. granulum<br />

zurück, Gymnastik nicht auf griech. gymnásion. – Zu Herbst vermerkt Augst: „Manche<br />

Informanten bringen es mit herb zusammen.“ Da Augst selbst es war, der bei früheren<br />

Gelegenheiten die volksetymologische Grübelei vorgetragen und sogar ins Vorwort der<br />

amtlichen „Neuregelung der deutschen Rechtschreibung“ eingeschleust hat, ob Herbst<br />

vielleicht mit herb zusammenhänge, liegt der Verdacht nahe, daß auch hier etwas eher<br />

suggeriert als erfragt wurde. – Sollte bei Hinduismus wirklich niemand an Indien<br />

denken? – Bei Inzest begnügt sich das Wörterbuch nicht wie das HDG mit der<br />

Übersetzung ,Blutschande‘, sondern fügt hinzu: ,Inzucht in strengster Form bei<br />

Tieren‘; das stammt, ohne Quellenangabe, aus dem DUW, entspricht aber nicht dem<br />

allgemeinen Sprachgebrauch. (Ursprung scheint ein im achtbändigen Duden<br />

angeführter Einzelbeleg aus der Fachliteratur zur Schafzucht zu sein.) – Fällt keinem<br />

Informanten etwas zu Kasematte ein? Vgl. J. und W. Grimms Deutsches Wörterbuch s.<br />

vv. Kasematte, Käsematte und Matte! – Bei Ministrant denkt angeblich niemand an<br />

Minister. – Unter pirschen stimmt das Beispiel nicht: er pirschte sich an das Mädchen.<br />

Offenbar fehlt der Verbzusatz heran. – Podex soll das Kernwort für Po und Popo sein.<br />

Synchron ist es sicher umgekehrt. – Unter Resolution verfügt Augst: „Im Deutschen<br />

kann man es nicht zu resolut stellen.“ Warum denn nicht? Die beiden Wörter gehören<br />

für den, der sie recht versteht, zusammen wie Entschließung und entschlossen. Solche<br />

Parallelen sind viel interessanter als die oben zitierten. – Daß Reich, reich (und sogar<br />

reichen) etymologisch nicht zusammengehören, ist nicht ausgemacht, vgl.<br />

Kluge/Seebold s. vv. – Unter Ring ('Boxring' usw.) steht die Bemerkung:<br />

„Ring in dieser Bed. kann man auf den Ring mit dem Merkmal ,äußere<br />

Begrenzung‘ beziehen. Manche Informanten erklären es mit den Zuschauern, die<br />

um die Kämpfenden einen kreisförmigen Platz [Ring] schaffen. Es ist aber auch<br />

möglich, es auf die folgende Wortfamilie ringen zu beziehen ,Ort, wo man ringt‘.“<br />

Das ist teils banal, teils haltlose Spekulation, die jeder für sich anstellen mag. – Zu<br />

Rondo: „Fachleute erkennen den Zusammenhang zwischen Rondell u. Rondo u. stellen<br />

beides zu rund.“ – Fachleute? Man muß eben wissen, was ein Rondo ist, dann ist der<br />

Zusammenhang unvermeidlich; aber dann ist man vielleicht nach Augsts Maßstäben<br />

bereits ein Fachmann ... Überhaupt die „Fachleute“! Welche „Fachleute“ wissen, „dass<br />

Ranft mit Rand verwandt ist“? Es kommen doch bloß die Sprachwissenschaftler in<br />

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