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REGELUNGSGEWALT - vernünftig schreiben

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Wie soll es weitergehen? oder: Gibt es ein Leben nach dem Duden?<br />

„Die Regeln der Groß- und Kleinschreibung, der Zeichensetzung, ja sogar der<br />

Silbentrennung sind das Resultat einer kollektiven Sprachreflexion von Grammatikern<br />

und Lehrern, von Autoren und Lesern seit dem 16. Jahrhundert. Deshalb<br />

steckt in vielen Regeln mehr Weisheit, als mancher Linguist auf Anhieb<br />

bemerkt.“ 62<br />

Horst H. Munske, der freimütig bekennt, seine einst reformfreudige Einstellung habe<br />

sich mit wachsender Einsicht sehr gewandelt, plädiert seit Jahren energisch für eine<br />

„Pflege“ der Orthographie, das heißt für die Bewahrung ihres wesentlichen Gehaltes<br />

bei gleichzeitigem Bemühen um eine bessere Darstellung, als sie der Duden – aus<br />

welchen Gründen auch immer – bisher geleistet hat.<br />

Das Dudenprivileg, ungenau auch „Monopol“ genannt, betraute ein privatwirtschaftliches<br />

Verlagsunternehmen mit einer amtlichen Aufgabe. Damit ist es vorbei, und man<br />

darf annehmen, daß eine Rückkehr zu dieser rechtlich umstrittenen Konstruktion nicht<br />

mehr möglich ist.<br />

Auf der anderen Seite ist es wünschenswert, die geradezu beispielhafte Einheitlichkeit<br />

der deutschen Orthographie zu bewahren oder – soweit sie durch den Mutwillen der<br />

Kultusminister bereits zerstört ist – wiederherzustellen. Nach den schlechten<br />

Erfahrungen mit staatlich beauftragten Kommissionen (deren Rekrutierung sich in<br />

einem undurchdringlichen Kompetenz- und Kooptationswirrwarr verliert) sollte eine<br />

grundsätzlich nichtobrigkeitliche Lösung dieser Aufgabe gesucht werden. Liegt ein<br />

überzeugender Vorschlag auf dem Tisch, so werden die Verlage und alle anderen<br />

Interessierten ihm gern folgen, und es spricht nichts dagegen, daß auch die<br />

Schulbehörden ihn für ihren Zuständigkeitsbereich verbindlich machen.<br />

Ich habe dazu am 14.11.1997 in der F. A. Z. folgende Skizze veröffentlicht:<br />

Die deutsche Orthographie ist geregelt. Täglich werden Hunderttausende von<br />

Texten gedruckt und geschrieben, die genau dieselben Schreibweisen befolgen,<br />

wie sie in Millionen von Büchern bereits vorliegen. Es gibt einen Usus, der in<br />

seinem Kernbestand fraglos gilt und bisher vom Duden schlecht und recht<br />

beschrieben war. Erfunden hat der Duden die übliche Rechtschreibung natürlich<br />

nicht. Sie ist vielmehr das Ergebnis einer jahrhundertelangen Schreibpraxis von<br />

unzähligen Menschen, die sich sehr wohl etwas dabei gedacht haben, wenn sie<br />

groß und klein, getrennt und zusammenschrieben, Kommas und Anführungszeichen<br />

setzten. Die Zweite Orthographische Konferenz zu Beginn des Jahrhunderts<br />

hat keinerlei Neuerungen gebracht, sondern lediglich die regionalen<br />

Schulorthographien vereinheitlicht und gegen willkürliche Veränderungen unter<br />

Schutz gestellt. Deshalb benötigte sie nur drei Tage und nicht zwanzig Jahre.<br />

Das Ärgerliche am Duden ist, daß er seiner Fehldeutung durch Normfetischisten<br />

nicht entgegengewirkt, ja sie im Gegenteil noch gefördert hat. Das wollen wir uns<br />

an einigen Beispielen klar machen. Klar machen? Nein, sagt der Duden, klarmachen!<br />

Denn getrennt geschrieben wird, „wenn klar im urspr. Sinne gebraucht<br />

wird“, zum Beispiel klar werden (auch vom Wetter). Dagegen gilt „Zusammen-<br />

62 Munske 1997, S. 2.<br />

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