Bericht des Verfassungsschutzes über das Jahr 2007 - MIK NRW
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Verfassungsschutzbericht <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Nordrhein-Westfalen <strong>2007</strong><br />
Die Ideologie der ‘Milli Görüs’<br />
Die Ziele der ‘Milli-Görüs’-Bewegung wurden von Erbakan in einer Art Manifest<br />
niedergelegt, <strong>das</strong> er 99 unter dem Titel „Adil Düzen“ („Gerechte Ordnung“) veröffentlichte.<br />
Nur der Teil, der sich mit der „gerechten Wirtschaftsordnung“ befasst, ist<br />
schriftlich ausformuliert und auch auf Deutsch erschienen. Andere Teile, darunter die<br />
politische Ordnung werden in Skizzen und Tabellen dargestellt. Die politischen Thesen<br />
Erbakans, die auch mit antisemitischen Stereotypen durchsetzt sind, besagen im<br />
Kern, <strong>das</strong>s jede Epoche der Menschheitsgeschichte durch den Kampf zweier Zivilisationen<br />
beziehungsweise Ordnungen bestimmt sei, sich in ihren Grundlagen feindlich<br />
entgegenstehen. Auf der einen Seite gäbe es Ordnungen, die von Menschen entworfen<br />
wurden. Sie beruhten auf der Macht <strong>des</strong> Stärkeren und führten zu Unrecht, Ausbeutung<br />
und vielen weiteren negativen Erscheinungen. Sie werden von Erbakan als<br />
„nichtige Ordnung“ („batil düzen“) bezeichnet. Auf der anderen Seite stünden die auf<br />
göttlicher Offenbarung gegründeten Ordnungen, die die Wahrheit und <strong>das</strong> sich daraus<br />
ergebende Recht (hak) zum Wohle der Menschen walten ließen. Das aus dem Koran<br />
entlehnte Gegensatzpaar „Gott/ Wahrheit/ Recht“ („hak“) und „Aberglaube“ („batil“)<br />
wird so auf eine politische Ebene geführt, religiöse Begriffe werden zu politischen<br />
umgestaltet. Die „nichtigen“ Ordnungen („batil“) wurden, so die Vorstellung, in der<br />
Menschheitsgeschichte immer wieder von „gerechten“ Ordnungen („hak“) abgelöst.<br />
So sei der „guten“ hebräischen Rechtsordnung die „schlechte“, menschengemachte<br />
altgriechische Demokratie gefolgt, der „guten“ islamischen Zivilisation die „schlechte“<br />
westliche Bürokratie.<br />
Ziel der Bewegung ist es, dieses heute herrschende, als „westliche“, „bürokratische<br />
Ordnung“ bezeichnete demokratische System zu <strong>über</strong>winden und durch die in „Adil<br />
Düzen“ skizzierte „gerechte Ordnung <strong>des</strong> Friedens und der Verständigung“ zu ersetzen,<br />
die auf dem Islam basieren soll. Dieses Ziel wird zunächst für die Türkei, dann<br />
aber auch für die gesamte Menschheit angestrebt.<br />
Die Ablehnung „westlicher Demokratie“ und damit auch der freiheitlichen demokratischen<br />
Grundordnung durch die ‘Milli-Görüs’-Ideologie ist evident. Dies zusammen<br />
mit den antisemitischen Einstellungen und Aussagen <strong>des</strong> Führers der ‘Milli Görüs’,<br />
wie auch anderer maßgeblicher Anhänger der Bewegung, macht eine Beobachtung<br />
von ‘Milli Görüs’ durch den Verfassungsschutz auf der gesetzlichen Grundlage (§<br />
Absatz Nr. VSG) erforderlich.<br />
92 islamismus