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Bericht des Verfassungsschutzes über das Jahr 2007 - MIK NRW

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Verfassungsschutzbericht <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Nordrhein-Westfalen <strong>2007</strong><br />

gegen<strong>über</strong>. Das Schicksal seiner Opfer und von deren Angehörigen ist dem so geprägten<br />

Selbstmordattentäter egal.<br />

Auf gesellschaftspsychologischer Ebene kann auf die Umbrüche sowohl in muslimischen<br />

Gesellschaften als auch innerhalb der muslimischen Migrantengemeinden<br />

in westlichen postindustriellen Gesellschaften verwiesen werden. Das klassische<br />

islamische Gesellschaftsideal ist <strong>das</strong> Patriarchat. An der Spitze der Familie steht der<br />

sorgende und gerechte Vater, der für seine Familie finanziell aufkommt und die letzte<br />

Entscheidung in Familienangelegenheiten trifft. Durch soziale und ökonomische Umbrüche,<br />

durch <strong>das</strong> Zerbrechen fester Ordnungsstrukturen und Arbeitslosigkeit ist <strong>das</strong><br />

Familienoberhaupt immer weniger in der Lage, seine Familie alleine zu ernähren. Der<br />

Patriarch versagt und verliert an gesellschaftlichem Prestige, <strong>das</strong> ihn rechtfertigende<br />

Wertesystem besteht jedoch vorerst weiter, begründet auch durch die Religion, etwa<br />

dem Achtungsgebot gegen<strong>über</strong> dem Vater. Die Kinder wiederum werden dadurch in<br />

Identitätsprobleme gestürzt. Kommt es in dieser Krise zum Kontakt mit einem islamistischen<br />

Weltbild, so kann dies verführend auf die Heranwachsenden wirken, denn<br />

die dort angebotenen Ideale verheißen vermeintliche Klarheit und Stabilität, während<br />

die reale Welt im Umbruch ist. Ein späteres Abrutschen in die jihadistische Strömung<br />

bis zur Bereitschaft, als Selbstmordattentäter zu sterben, ergibt sich daraus nicht<br />

zwingend, ist aber möglich.<br />

Auf der gesellschaftspsychologischen Ebene finden sich auch weitere mögliche Faktoren,<br />

z.B. <strong>das</strong> Erleiden von „Traumata“. Dies können primäre Traumata sein, wie<br />

Flucht, Krieg, Vergewaltigung, Vernachlässigung oder Misshandlung. Ein sekundäres<br />

Trauma kann durch die Beeinflussung <strong>über</strong> Massenmedien, also Zeitungen, Internet<br />

und Fernsehen ausgelöst werden. Über Massenmedien ist es möglich, Bilder <strong>des</strong><br />

Leidens von einem weit entfernten Schauplatz ins heimische Wohnzimmer zu transportieren<br />

und (<strong>über</strong>triebene) Empathie auszulösen. Das Leiden der palästinensischen<br />

Zivilbevölkerung, amerikanische „Foltergefängnisse“ im Irak, die „Muhammad-Karikaturen“<br />

– solche Themen werden in der islamischen Welt meist recht einseitig medial<br />

ausgeschlachtet. Auch wenn die Ereignisse vom Publikum geografisch weit entfernt<br />

liegen mögen, so sind die dadurch erzeugten Gefühle doch real.<br />

Die hier angeführten möglichen psychologischen Motive von Selbstmordattentätern<br />

sind mit der nötigen Vorsicht zu genießen. Eine Persönlichkeit mit gesteigertem Anerkennungsbedürfnis<br />

kann auch ein Musiker werden oder ein gefeierter Fernsehstar.<br />

Die sozioökonomischen Umbrüche in vielen <strong>über</strong>aus jungen muslimischen Gesellschaften<br />

erzeugen zwar ein Rekrutierungspotential für Islamisten, bilden jedoch eben-<br />

thEma im Fokus 9

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