Die Welt der Wünschelrutengänger und Pendler - SSOAR
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4. Radiästhetische Institutionen <strong>und</strong> kultisches Milieu<br />
<strong>Die</strong> Institutionalisierung <strong>der</strong> Radiästhesie zeigt mit aller Deutlichkeit, daß<br />
sich eine traditionell magische Praxis in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Gesellschaft nicht<br />
einfach nur hält <strong>und</strong> - etwa als bloß »magisches Denken« - in verborgenen<br />
Winkeln <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Gesellschaft einnistet. Keine traditionelle Magie ist<br />
es mehr, in <strong>der</strong> ein Rutengänger dem nächsten in persönlichen Kontakten<br />
sein weitgehend inexplizites Wissen weitergibt, son<strong>der</strong>n es sind Vereini-<br />
gungen, Betriebe <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Institutionen, <strong>der</strong>en Praktiken hochgradig or-<br />
ganisiert <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Wissen weit gestreut <strong>und</strong> mit den verschiedensten Me-<br />
dien vermittelt werden. Aus dem Erzsucher wurde <strong>der</strong> Wassersucher <strong>und</strong><br />
schließlich <strong>der</strong> Geobiologe o<strong>der</strong> Baubiologe. Sozial sichtbar ist <strong>der</strong> »Kult<br />
<strong>der</strong> Radiästhesie« nicht allein dadurch, daß er von einigen dafür qualifizier-<br />
ten Experten ausgeübt wird. Radiästhesie wird zu einem »Kult« tatsächlich<br />
in dem von Troeltsch geprägten Sinne des Wortes. Seit <strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>t-<br />
wende wird Wünschelrutengehen <strong>und</strong> Pendeln zunehmend institutionali-<br />
siert; aus den frühen Netzwerken entstanden soziale Organisationen, die<br />
zum Teil seit mehreren Generationen bestehen. Neben <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen In-<br />
stitutionalisierung <strong>der</strong> magischen Praxis weist die Radiästhesie weitere<br />
Merkmale des kultischen Milieus schon zu einer Zeit auf, als von einem<br />
»kultischen Milieu« noch gar nicht gesprochen wurde.<br />
So tragen die Vergemeinschaftsformen <strong>der</strong> Radiästheten nur selten die<br />
Züge religiöser Institutionen. <strong>Die</strong> Mehrheit folgt Mustern, wie sie sich<br />
schon zuvor, z.B. in <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Parapsychologie, abgezeichnet ha-<br />
ben. Radiästheten, die sich mehr <strong>und</strong> mehr aus bürgerlichen Berufsgruppen<br />
rekrutieren, bilden Vereine; sie formieren sich zu quasi-wissenschaftlichen<br />
Forschergruppen o<strong>der</strong> betreiben die Radiästhesie als ein privatwirtschaftli-<br />
ches Gewerbe. <strong>Die</strong> radiästhetischen Institutionen weisen schon früh jene<br />
Vielgestaltigkeit <strong>der</strong> Organisationsformen auf, die als tpyisch für die sekun-<br />
dären Institutionen des kultischen Milieus herausgestellt wurde. <strong>Die</strong> sozia-<br />
len Formen reichen von großen Verbänden, eingeschriebenen Vereinen<br />
über Forschungsinstitute, Lehrbetriebe, »Heilzentren«, Betriebe zur Pro-<br />
duktion <strong>und</strong> zum Vertrieb radiästhetischer Produkte <strong>und</strong> den »Beratungs-<br />
stellen« professioneller Radiästheten (sowie Mischformen) bis hin zur<br />
beruflich ausgeübten Radiästhesie <strong>und</strong> den privaten Gruppierungen <strong>der</strong><br />
quasi-professionellen <strong>und</strong> Hobby-Radiästheten, <strong>der</strong>en z.T. finanziell ent-<br />
goltene <strong>Die</strong>nstleistungen wenig formalisiert <strong>und</strong> äußerst gering institutio-<br />
nalisiert sind. <strong>Die</strong> magische Praxis <strong>der</strong> Radiästhesie weist in ihrer mo<strong>der</strong>-<br />
nen, institutionalisierten Form eine ähnliche Toleranz zur Öffnung auf, wie<br />
sie schon das kultische Milieu auszeichnete. <strong>Die</strong>se Öffnung beschränkt sich