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Die Welt der Wünschelrutengänger und Pendler - SSOAR

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glaubte Lehre von <strong>der</strong> moralischen Kraft [<strong>der</strong> Rute] erstand von neuem,<br />

doch dieses Mal nicht unter den Gelehrten, son<strong>der</strong>n inmitten <strong>der</strong> <strong>und</strong>urchsichtigen<br />

Massen des Volkes (Raymond 1883, 79).<br />

<strong>Die</strong> internationale Verbreitung des Rutengehens hing offensichtlich auch<br />

mit <strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>ung deutscher Bergleute zusammen. Schon im 15. Jahrhun<strong>der</strong>t,<br />

verstärkt aber im 16. <strong>und</strong> 17. Jahrhun<strong>der</strong>t, wurden deutsche Bergleute<br />

nach England, Belgien <strong>und</strong> Spanien geworben o<strong>der</strong> wan<strong>der</strong>ten, nach dem<br />

Nie<strong>der</strong>gang des deutschen Bergbaus im 30jährigen Krieg, aus. Fludd<br />

berichtet 1638, daß deutsche Bergleute in den Minen von Wales Ruten einsetzten;<br />

auch in Südengland waren sie in Gebrauch. 1639 findet die<br />

Wünschelrute Eingang in das englische bergbautechnische Schrifttum (G.<br />

Platles). Der Begriff »dowsing« wurde 1692 von John Locke erstmals<br />

schriftlich erwähnt. In Frankreich ist es seit dem 17. Jahrhun<strong>der</strong>t belegt.<br />

Es wurde bekannt vor allem durch Martine de Bertereau, Baronesse de<br />

Beau-Soleil, die um 1600 ausgedehnte mineralogische Studienreisen in Europa<br />

d~rchführte.~~ Seit dieser Zeit bildete sich vor allem in <strong>der</strong> Dauphine<br />

eine volkstümliche Tradition von Rutengängern o<strong>der</strong> »Hommes de la<br />

baguette« aus. Durch Deutsche <strong>und</strong> Englän<strong>der</strong> fand das Rutengehen im<br />

17. Jahrhun<strong>der</strong>t seinen Weg in die USA. Dort trugen vor allem wirtschaftliche<br />

Interessen von Brauereien, Eisenbahngesellschaften <strong>und</strong> Ölfirmen zu<br />

einer gewissen Professionalisierung des Rutengehens bei (VogtIGolde<br />

1958, 522).<br />

<strong>Die</strong> Wünschelrute ist also keineswegs nur ländliches Brauchtum; sie verdankt<br />

ihre Verbreitung erstaunlicherweise sehr mo<strong>der</strong>nen Entwicklungen:<br />

Den ersten Ansätzen <strong>der</strong> neuzeitlichen Industrie, <strong>der</strong> städtischen Öffentlichkeit,<br />

<strong>der</strong> Presse (vor allem in Frankreich) <strong>und</strong> dem sich entwickelnden<br />

Kapitalismus im Bergbau (in England).<br />

<strong>Die</strong> Verbreitung des Rutengehens vollzog sich zwar gegen den Wi<strong>der</strong>stand<br />

<strong>der</strong> Kirche, doch hatte sie für die Radiästhesie ohnehin an Bedeutung<br />

verloren, <strong>und</strong> ab Mitte des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts verstummt die Stimme <strong>der</strong> Kirche<br />

allmählich. Aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Radiästhesie trat die Wissenschaft die<br />

Nachfolge <strong>der</strong> Kirche an. Aus den theologischen Dissertationen wurden<br />

physikalische, aus religiös-moralischen Problemen wurde vor allen Dingen<br />

seit dem 18. Jahrhun<strong>der</strong>t das Problem <strong>der</strong> wissenschaftlichen Nachweisbarkeit<br />

des »Wünschelrutenphänomens«. <strong>Die</strong>se Umorientierung gilt nicht nur<br />

für das Rutengehen. Erinnert sei nur an das Entstehen einer wissenschaftlichen<br />

Parapsychologie im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t. Entscheidend hieran ist nicht<br />

nur, daß sich die Wissenschaft mit dem Phänomen zu beschhftigen begann,<br />

son<strong>der</strong>n daß sich die Rutengänger ihrerseits mehr <strong>und</strong> mehr an <strong>der</strong> Wissenschaft<br />

orientierten.

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