Die Welt der Wünschelrutengänger und Pendler - SSOAR
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denzen anfuhren. Trotz <strong>der</strong> unübersehbaren Wissensunterschiede einigt<br />
Heiler <strong>und</strong> Klienten (abgesehen von <strong>der</strong> ohnehin erstaunlichen Verbrei-<br />
tung <strong>der</strong> kultischen Praxis) dasselbe Band: die populäre Medizin geht ge-<br />
wissermaßen von M<strong>und</strong> zu M<strong>und</strong>, <strong>und</strong> zwar über die Grenzen von Heilem<br />
<strong>und</strong> Klienten hinweg. Kommunikativ wird die Gefahr aufgezeigt, an Anzei-<br />
chen wird sie illustriert, zu leiblichen Befindlichkeiten o<strong>der</strong> körperlichen<br />
Gebrechen in Beziehung gesetzt, im sozialen Umfeld <strong>der</strong> Ehe, <strong>der</strong> Familie<br />
<strong>und</strong> <strong>der</strong> sozialen Beziehung zum Radiästheten in die Tat umgesetzt <strong>und</strong><br />
schließlich im Gespräch mit einem weiteren Umfeld an<strong>der</strong>er eingeschätzt<br />
<strong>und</strong> beurteilt. Kommunikativ ist nicht nur die Radiästhesie selbst, auch »die<br />
Wirksamkeit <strong>der</strong> Magie (impliziert) den Glauben an die Magie«, <strong>und</strong> dieser<br />
Glaube nimmt eine populäre kommunikative Form an. <strong>Die</strong>ser soziale Kon-<br />
sens hat keinen festen, ausgegrenzten Ort etwa in bestimmten Schichten,<br />
Gruppen o<strong>der</strong> Lebensstilen. Er wird dort geteilt, wo solche Geschichten er-<br />
zählt werden, wo unabhängig vom theoretischen Erklärungswissen <strong>und</strong><br />
dem spezialisierten Regelwerk <strong>der</strong> Experten kommuniziert wird. Und diese<br />
kommunikative Vermittlung im Laiensystem wirkt gleichsam wie ein »so-<br />
ziales Placebo«.<br />
So wenig ein »therapeutisches Milieu« ausfindig gemacht werden konn-<br />
te, so deutlich tritt doch die klinische Wirklichkeit <strong>der</strong> Radiästhesie an den<br />
Tag. Mittels solcher Geschichten teilen Klienten populärer Heiler das the-<br />
rapeutische Gr<strong>und</strong>modell, ein diffuses Krankheitsbild, dessen Kern ein<br />
Erdstrahlensyndrom bildet, eine narrative Ätiologie, in <strong>der</strong> lebensweltli-<br />
che Evidenzen die Oberhand behalten, <strong>und</strong> eine interaktive Behandlungs-<br />
methode, die nicht in den Körper eingreift, son<strong>der</strong>n lediglich kommunika-<br />
tiv neue Sinnhorizonte herstellt. Wie die Heilerfolge narrativ sind, so halten<br />
sich <strong>der</strong>en Evidenzen auf <strong>der</strong> Ebene des alltäglich Beurteilbaren: Man spürt<br />
eben die Besserung, man fühlt sie. (Der - etwa im Vergleich zu Wun<strong>der</strong>hei-<br />
lungen - Verzögerung dieses Spürens trägt ja gerade die Struktur <strong>der</strong> Ge-<br />
schichte Rechnung.) Eine Unterscheidung zwischen Beschwerden <strong>und</strong><br />
Krankheiten ist unangebracht. <strong>Die</strong> subjektive, leibliche Befindlichkeit ist<br />
entscheidend, <strong>und</strong> mehr wird auch nicht verlangt. <strong>Die</strong> »Heilung« <strong>der</strong> radi-<br />
ästhetischen Medizin ist keine diagnostizierte, bestätigte, kontrollierte <strong>und</strong><br />
belegbare Größe. <strong>Die</strong> »Ungenauigkeit« bleibt konstitutiv: <strong>Die</strong> Heilge-<br />
schichte erwähnt zwar den Arzt, wenn es um die Erfolglosigkeit geht; um<br />
den Erfolg zu bestätigen, bedarf es jedoch keiner Kontrolle. Sie ist keine<br />
»Körpermedizin« in <strong>der</strong> ausgemessen, gezählt o<strong>der</strong> gerechnet würde<br />
(Bauch 1988).<br />
Der »Aberglaube« tritt damit nicht als diffuses, in den Köpfen Randstän-<br />
diger spukendes, unzugängliches <strong>und</strong> bloß »kognitives« Gebilde herum; er