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Die Welt der Wünschelrutengänger und Pendler - SSOAR

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handelt (Danielson 1983 <strong>und</strong> Virtanen 1976). Was an Evidenzen angeführt<br />

wird, ist so wandelbar wie die Hauptpersonen <strong>der</strong> Geschichte. Ein Motiv ist<br />

jedoch allen Einleitungen gemeinsam: Sie schil<strong>der</strong>n die Krankheit einer<br />

Person. <strong>Die</strong> Bedeutung <strong>der</strong> Krankheitsbeschreibung zeigt sich nicht nur an<br />

hyperbolischen Elementen, wenn etwa Herr G., die Dauer <strong>der</strong> Krankheit<br />

von »einigen Monaten« sogleich zur »ewigen« steigert. Wurde im ersten<br />

Beispiel eine Krankheit beim Namen genannt, so ist es hier bloß ein Sym-<br />

ptom - obwohl dieser Sprecher selbst praktizieren<strong>der</strong> Arzt ist. Wie im er-<br />

sten Beispiel wird auch hier die Erfolglosigkeit <strong>der</strong> »schulmedizinischen«<br />

Maßnahmen erwähnt. Das Motiv <strong>der</strong> erfolglosen Schulmedizin kommt<br />

zwar nicht in allen Geschichten vor:<br />

Herr C.: Mein jetzt neunjähriger Enkel, <strong>der</strong> Andreas, <strong>der</strong> litt stark unter Migräne,<br />

Kopfschmerzen, Ubelkeit, Erbrechen. (wen wun<strong>der</strong>t's)<br />

Herr C. erwähnt keine medizinische Behandlung, er geht sogleich zur<br />

Schil<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> radiästhetischen Maßnahme über. Doch gibt seine ein-<br />

drucksvolle Auflistung von Beschwerden <strong>und</strong> Krankheiten einen ersten<br />

Hinweis auf die Funktion auch des Motivs <strong>der</strong> Erfolglosigkeit medizini-<br />

scher Maßnahmen:<br />

Herr X.: Bloß Wilma, meine Frau, (Pause) die hat, äh, ne Allergie; <strong>und</strong> zwar diese<br />

Heuschnupfen(al1ergie). Nichts geholfen;<br />

Herr L.: mhm,<br />

Herr X.: jahrelang hat nichts geholfen. <strong>Die</strong> is also en ganzen Monat o<strong>der</strong> zwei mit<br />

dicke Augen rumgerannt vor () <strong>und</strong> konnt nix mehr sehn ne, <strong>und</strong> die hat<br />

do so die ( ) Praxis besucht, ham da Arzte besucht ne, Naturheilverfah-<br />

ren gemacht un alle möglichen <strong>und</strong> unmöglichen Behandlungen über<br />

sich ergehen lassen. Es hat <strong>und</strong> hat nix geholfen.<br />

Herr X. redet hier von einer Krankheit seiner Frau. Obwohl es sich um ei-<br />

ne unangenehme Beschwerde handelt, hat <strong>der</strong> genannte Heuschnupfen we-<br />

nig Spektakuläres; er erschiene als eine Allerweltskrankheit - würde Herr<br />

X. die Schil<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Krankheit nicht strecken <strong>und</strong> verlängern, indem er<br />

sie in eine Serie von Behandlungen stellt. Dadurch wird die Krankheit sozu-<br />

sagen dramatisiert: Ärzte, Naturheilverfahren <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Behandlungen<br />

folgen aufeinan<strong>der</strong>. Dramatisiert wird dadurch nicht nur in <strong>der</strong> Erzählzeit,<br />

son<strong>der</strong>n auch in <strong>der</strong> erzählten Zeit: Der unauffällige Heuschnupfen <strong>der</strong> Ein-<br />

leitung wird durch die Schil<strong>der</strong>ung einiger Symptome (dicke Augen, nix<br />

mehr sehen) ausgestaltet <strong>und</strong> dann in eine angedeutete, aber langwierige<br />

Krankengeschichte (»alle möglichen <strong>und</strong> unmöglichen Behandlungen«)<br />

überführt. <strong>Die</strong> Krankheit bleibt dieselbe, aber sie erscheint nun beinahe un-<br />

heilbar. Unheilbar aber nicht nur für die »Schulmedizin«, son<strong>der</strong>n selbst für

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