Die Welt der Wünschelrutengänger und Pendler - SSOAR
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als Verstoß gegen das Erste Gebot verurteilt <strong>und</strong> von Paracelsus zum<br />
Aberglauben gezählt worden, so konnte sich <strong>der</strong> Priester Bernhardus, vermutlich<br />
selbst ein Rutengänger, in seiner »Vera atque brevis discriptio - virgula<br />
Mercuralis« doch unangefochten für die Rute einsetzen. Erst im 17.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t mehren sich die Stimmen unter den Kirchenmännern, die sich<br />
gegen das Rutengehen richten. 1619 behandelte Ägidius Gutmann die Frage,<br />
»ob man die Haselruthen ohne Sünde in Suchung <strong>der</strong> Bergwerke gebrauchen<br />
möge«. <strong>Die</strong> Wünschelrute wurde nun auch zentraler Gegenstand<br />
gelehrter Untersuchungen; seit Mitte des 17. Jahrhun<strong>der</strong>ts beschäftigten<br />
sich die traditionellen Universitäten mit dem Thema. 1658 wurde die erste<br />
Dissertation in Wittenberg dazu verfaßt. Johannes Sperling <strong>und</strong> Jakobus<br />
Klein schrieben darin den Ausschlag entwe<strong>der</strong> <strong>der</strong> Täuschung o<strong>der</strong> okkulten<br />
Eigenschaften, genauer gesagt: dem Teufel zu. Es folgten vor allem in<br />
Wittenberg noch mindestens 12 weitere Dissertationen zu diesem Thema.<br />
Aber auch außerhalb Wittenbergs beschäftigten sich Kleriker mit <strong>der</strong> Wünschelrute.<br />
1659 verdammte <strong>der</strong> Jesuitenpater Schott (»Magiae universalis<br />
naturae et artis«) die Rute <strong>und</strong> bezeichnete sie ebenfalls als Teufelswerk.<br />
(Schott än<strong>der</strong>te später seine Meinung zugunsten <strong>der</strong> Rute, nachdem er beobachtet<br />
hatte, daß die Rute auch von Mönchen benutzt wurde.) In den Augen<br />
<strong>der</strong> Kleriker wird Wünschelrutengehen nun mehr <strong>und</strong> mehr zur »Superstitio«,<br />
zum (teuflischen) Aberglauben. 1701 wurde <strong>der</strong> Gebrauch <strong>der</strong><br />
Rute durch ein päpstliches Dekret verboten (Abb. 6).<br />
Der kirchliche Angriff gegen den Okkultismus des Rutengehens erscheintjedoch<br />
als eine Art Notwehr, denn er formierte sich, als Rutengehen<br />
sich in zunehmendem Maße außerhalb des Bergbaus verbreitete. <strong>Die</strong> Ausbreitung<br />
zeigt sich beson<strong>der</strong>s an den spektakulären Erfolgen des Rutengängers<br />
<strong>und</strong> <strong>Pendler</strong>s Jacques Aymar. Ayrnar hatte mit <strong>der</strong> Rute einen Mör<strong>der</strong><br />
gef<strong>und</strong>en, <strong>der</strong> schließlich auch verurteilt wurde. Mit Aymar deutet sich die<br />
Ausweitung <strong>der</strong> Ziele an. Nicht mehr nur Erza<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> Wasser wurden gesucht,<br />
Radiästhesie wurde auch auf an<strong>der</strong>e Gebiete angewandt. Zur Suche<br />
nach <strong>Die</strong>ben kam die Schatzsuche, die Suche nach Gemarkungssteinen<br />
usw. Aymar war auch kein dörflicher Wassersucher mehr, noch war er Arbeiter<br />
in einem abgelegenen Bergbaurevier. Seine Erfolge verzeichnete er<br />
inmitten des städtischen Lebens von Lyon <strong>und</strong> Paris, <strong>und</strong> er verdankte sie<br />
nicht zuletzt einem neuen Produkt <strong>der</strong> städtischen Bevölkerung. <strong>Die</strong> noch<br />
junge Presse bauschte seinen Erfolg zu einer wahren Sensation auf. <strong>Die</strong><br />
französischen Zeitungen beschäftigten sich ab 1689 zehn Jahre lang mit<br />
ihm, es erschienen Artikel <strong>und</strong> Briefe im »Mercure Galant«, im »Journal<br />
des Scavans« et~.'~ Er regte gleich drei französische Dissertationen zum<br />
Thema Rutengehen an. 1693 wurde gar die erste französische Einfiihrungs-