Die Welt der Wünschelrutengänger und Pendler - SSOAR
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zum einen die »Mo<strong>der</strong>nität« dieser Praxis gewissermaßen als »Avantgarde<br />
<strong>der</strong> Vermarktung des Ges<strong>und</strong>heitswesens«. Zum an<strong>der</strong>en verweist sie auf<br />
den Ort <strong>der</strong> Radiästhesie wie <strong>der</strong> Magie in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Gesellschaft über-<br />
haupt: jenseits <strong>der</strong> spezialisierten Institutionen bietet sie über einen Markt<br />
ihre Güter an.2<br />
Über die Gründe des vergleichsweise breiten Interesses an <strong>der</strong> populären<br />
Medizin können hier lediglich Vermutungen angestellt werden: Unter-<br />
stützt von einer breiten Popularisierung medizinischen Wissens auf den Be-<br />
raterseiten <strong>der</strong> unterschiedlichsten Zeitschriften, im Fernsehen <strong>und</strong> von<br />
staatlicher Stelle, gefor<strong>der</strong>t von einer Ideologie, die Ges<strong>und</strong>heit zum Selbst-<br />
<strong>und</strong> Lebenszweck erhebt, werden zunehmend die unterschiedlichsten per-<br />
sönlichen Mißstände als Ursachen für »Krankheit« verantwortlich gemacht.<br />
Aufgr<strong>und</strong> ihrer Spezialisierung <strong>und</strong> <strong>der</strong> »körpermedizinischen« Ausrich-<br />
tung gilt die »Schulmedizin« als ungeeignet, diese subjektive »Bedeutungs-<br />
dimensiona von Krankheit zu erfassen, während sich die populäre Medizin<br />
in ihrer kommunikativen Orientierung mit den subjektiven Beschwerden<br />
genau mit jenem Aspekt bevorzugt abgibt. <strong>Die</strong> »Ganzheitlichkeit« folgt <strong>der</strong><br />
For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Klientele, ihre Beschwerden »sinnhaft« zu erfassen <strong>und</strong> zu<br />
erklären.<br />
Zwar kann die Zuwendung einer Klientele zur populären Medizin insge-<br />
samt hier nicht zufriedenstellend erklärt werden. Dagegen ist es nicht<br />
schwer zu verstehen, daß die Magie sich ihrerseits medizinischen Proble-<br />
men zuwandte. <strong>Die</strong> Nähe <strong>der</strong> Radiästhesie wie an<strong>der</strong>er Formen <strong>der</strong> Magie<br />
(<strong>und</strong> magischer Formen religiösen Volksglaubens) zur Medizin kommt<br />
nicht von ungefähr. <strong>Die</strong> mo<strong>der</strong>ne »Subjektivierung« <strong>der</strong> Radiästhesie ver-<br />
legt die »Wirkung« transzendenter Kräfte in den Bereich, <strong>der</strong> als Körper,<br />
Leib o<strong>der</strong> Leib-Seele-Geist-Komplex verstanden wird. <strong>Die</strong> mo<strong>der</strong>ne Magie<br />
ist medizinischen Problemen gewissermaßen »wahlverwandt«, denn beide<br />
Male steht <strong>der</strong> Körper als potentieller Zeichenträger für dahinter verborge-<br />
ne Vorgänge im Mittelpunkt magischen handeln^.^ <strong>Die</strong> allgemeine »Medi-<br />
kalisierung«, d.h. die zunehmende Umdeutung von Lebensereignissen als<br />
Krankheit (Rid<strong>der</strong> 1988), würde zwar die medizinische Ausrichtung <strong>der</strong> Ra-<br />
diästhesie wie an<strong>der</strong>er Formen <strong>der</strong> Magie erklären, nicht aber die Tatsache,<br />
daß sich - trotz eines ausgebauten Ges<strong>und</strong>heitssystems - überhaupt eine<br />
vergleichsweise breite Klientele für die Radiästhesie (<strong>und</strong> für an<strong>der</strong>e magi-<br />
sche Praktiken) interessiert <strong>und</strong> somit zur sozialen <strong>und</strong> ökonomischen Ba-<br />
sis für die Institutionalisierung <strong>der</strong> Magie wird. Das anhaltende, vermutlich<br />
sogar zunehmende Interesse an <strong>der</strong> Magie wird dann erklärbar, wenn wir<br />
die herausgestellten Merkmale <strong>der</strong> Radiästhesie als einer mo<strong>der</strong>nen Form<br />
<strong>der</strong> Magie berücksichtigen.