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StudienVerlag - Oapen

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An Austrian to Austrians (3) (1942)<br />

BBC-Sendung am 15.8.1942, 22 Uhr GMT<br />

DV: Ms. mit hs. Streichungen, ÖNB 21.581<br />

Zeitlassen, Oesterreicher. Ich darf heut meine sechs Minuten für eine private Familienbotschaft<br />

verwenden – an meinen Neffen Alois Zehetbauer, Sohn von meiner<br />

verstorbenen Schwester Karoline, geboren in Graz. Seine letzte Adresse war bei der<br />

Deutschen Verkehrskontrolle in Belgrad.<br />

Alois! Wie deine Mutter gestorben ist, da war ihr letzter Wunsch, dass ich für<br />

dich sorgen soll. Ich hab dich aufgezogen wie mein eigenes Kind. Na. Du bist dann<br />

deine eigenen Wege gegangen. Schwamm darüber. Im Jahr 34, wie’s gekracht hat,<br />

da warst du dabei. Aber nicht im Feber sondern im Juli. Erinnerst dich an unser<br />

Gespräch, wie du zu mir gekommen biet um Geld, dass du abfahren kannst nach<br />

Deutschland? „Diese Heimwehr-Hunde“, hast du gesagt, „uns nationalsozialistische<br />

Arbeiter und Angestellte schiessen sie zusamm“. Und wie ich dir eine Antwort gegeben<br />

hab, da hast du gebrüllt: „Wir Nazis sind die einzige echte proletarische Partei!“<br />

Es war unser letztes Gespräch, Alois. Im März 38 warst du mit dabei, wie die<br />

Nazis über die Mariahilferstrasse gekommen sind. Und vor zwei Jahren warst du<br />

in Holland; weil du ja dort Holländisch gelernt hast als ein Bub, nach dem letzten<br />

Krieg. Und seit vorigem Sommer bist du bei der Verwaltungsbehörde in Serbien.<br />

Damals im 34er Jahr hab ich geschworen, ich red nichtmehr mit dir. Aber ich bin’s<br />

deiner Mutter schuldig – heut brech ich meinen Schwur.<br />

Alois, wir haben vor ein paar Tagen hier in England eine politische Aussprache<br />

gehabt, im österreichischen Gewerkschaftsklub oben in unserer Fabrik. Ich bin<br />

mit einer Verspätung dazugekommen. In dem Klub war alles in heller Empörung.<br />

„Doktor“, haben sie gerufen, „da lies dir das durch, den Geheimbefehl vom Schickelgruber,<br />

den die Engländer in Afrika erwischt haben.“ Und wie ich ihn gelesen<br />

hab, sagt einer: „Na und, Doktor, du regst dich nicht auf, du wunderst dich nicht?“<br />

Sag ich: „Worüber soll ich mich wundern? Darüber, dass der Hitler schon von<br />

Anfang an nicht einfach Deutschland hat fressen wollen sondern ganz Europa?<br />

Das hab ich mir nie anders vorgestellt.“ Sagt einer: „Ja, Doktor, aber jetzt haben<br />

wir’s doch endlich schwarz auf weiss; und die Generale haben es von Anfang an<br />

gewusst und sind einverstanden gewesen.“ Sag ich: „Und darüber soll ich mich<br />

wundern?“ Schreit einer: „Aber Doktor! Da greift man sich ja an den Kopf! Der<br />

Schickelgruber bestimmt ja da – die S.S. soll die deutschen und die österreichischen<br />

Arbeiter und Bauern und die christlicher Bürger zuhaus massakrieren, wenn’s für<br />

die Nazis einmal Matthäi am Letzten ist. Da, Doktor, lies. ‚Die S.S. wird im Stolz<br />

auf ihre rassische Sauberkeit niemals mit dem Proletariat und der die nationalsozialistische<br />

Idee untergrabenden Kirche fraternisieren.‘ Da hast du’s in dem Hitler<br />

seiner eigenen Hand!“ Da hab ich gesagt: „Und darüber soll ich mich wundern?<br />

Aber ich kenn einen, der hat einmal gesagt, die Nazis sind die wahre proletarische<br />

Partei. Dem muss ich eine Botschaft schicken.“<br />

Alois! – Aber nein, ich will mit dir nicht politisch reden sondern als ein Mensch.<br />

Und als ein Oesterreicher zum andern. Schau, Loisl, vielleicht hast du längst vergessen,<br />

an deine proletarischen Sprüch’ aus dem 34er Jahr. Da waren ja damals auch<br />

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