09.01.2014 Aufrufe

StudienVerlag - Oapen

StudienVerlag - Oapen

StudienVerlag - Oapen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

An Friedrich Torberg<br />

Cranbrook/Kent, 4.7.1955<br />

Ms. o. U., ÖNB<br />

Lieber alter Torberg,<br />

ich fürchte, wir reden aneinander vorüber. Ich sehe in der Notiz jenes kleinen<br />

kommunistischen Blättchens nichts, das ich „dementieren“ könnte, ohne mich vor<br />

mir selber lächerlich zu machen. Dass ich Wien herrlich fand und mich im Kreis<br />

meiner Freunde, und vor allem mit Ihnen, der Sie für mich der letzte Überlebende<br />

jener alten Tage sind, sehr glücklich gefühlt habe, tut der Tatsache nicht Abbruch,<br />

dass ich Eure politische Verhetztheit und Verbitterung beklage und an ihr nicht<br />

teilhaben will. Bei den Kommunisten rund um die Welt und demnach wohl auch in<br />

Wien gibt es diesbezüglich meiner Einstellung zu ihnen kein Missverständnis – auch<br />

wenn sie gelegentlich so tun, als wäre es anders. Sie loben bei diesen Sondergelegenheiten<br />

ja auch Silone und Spender, ohne dass diese sich darüber aufregen. Unser<br />

Antikommunismus und der Ihre, lieber Freund, kommen eben aus verschiedenen<br />

Ecken, für unsereinen sind Stalin und die Folgen eine faschistische Korruption<br />

einer der grossen Menschheitsideen – das wird Ihnen so absurd vorkommen wie<br />

mir alles, das Sie dagegen sagen könnten. Ich glaube, wir müssen „agree to disagree“,<br />

sonst sähe ich dunkel für unsere Freundschaft, die mir sehr am Herzen liegt.<br />

Wie sehr – das mögen Sie daraus erkennen, dass ich unter dem Eindruck Ihres<br />

Briefes unserm Freund Hubalek freigestellt habe, PUPPEN VON POSHANSK in<br />

der Arbeiterzeitung zu serialisieren; und wenn Sie dieses Buch (das ich Ihnen vor<br />

ein paar Tagen schickte) selbst lesen wollen, so werden Sie nicht nur klar (so klar<br />

wie die Kommunisten) sehen, wo ich stehe, sondern vielleicht zugeben, dass ich<br />

über wirksamere Waffen verfüge als die Zusendung eines Dementis an ein kleines<br />

Wiener Blatt. […]<br />

„Jenes kleine kommunistische Blättchen“ ist „Der Abend“ (Wien, Hrsg. Bruno Frei), der<br />

auf der Titelseite vom 18.6.1955 in einem Bericht über das Schlusswort von RN auf<br />

dem PEN-Kongress („Kalte Schulter für Kalte Krieger“) dessen Distanzierung von Präsident<br />

Charles Morgan hervorhebt: „Der in London lebende österreichische Schriftsteller<br />

Robert Neumann (Ehrenpräsident des Österreichischen PEN-Zentrums) erklärte,<br />

er hätte sich nicht an den Präsidiumstisch der Eröffnungssitzung gesetzt, wenn er<br />

gewußt hätte, welche Rede Morgan zu halten beabsichtige.“<br />

Daraufhin hatte Torberg In einem Brief vom 23.6.1955 dem „lieben Onkel Neumann“<br />

erklärt, „dass das goldene Zeitalter der unverbindlichen Allround-Ironie damit zu Ende<br />

ist“ und von ihm ultimativ eine Distanzierung von der „Mistbrut“ eingefordert: „Sie<br />

müssen dem ‚Abend‘ sofort eine Berichtigung schicken und zwar eine so eindeutig<br />

gehaltene, dass ihm aus ihrem Abdruck nicht aufs Neue ein Propagandabummerl<br />

herauskommt.“ (Siehe Wienbibliothek H.I.N., Nachlass Torberg 24/1)<br />

680

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!