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StudienVerlag - Oapen

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An Hermann Hesse<br />

[o. O.], 16.7.1923<br />

Hs., SLA Hesse MS L 83<br />

Sehr geehrter Herr Hesse,<br />

die sehnsüchtige und beschämende Erzählung meiner Beziehung zu Ihnen ist kurz:<br />

Ich sandte Ihnen etwa zu Kriegsende einen Versband, dessen überschwänglich<br />

gefühlsstarke Jugendlichkeit Sie mit ein paar gütigen Worten quittierten. Einen<br />

weiteren Brief, den ich Ihnen etwa ein Jahr darauf weitschweifig aus der Bedrängnis<br />

eines Jünglings heraus und unter Beilegung eines Konvoluts gleichgültiger Poesien<br />

übersandte, wiesen Sie schroff zurück, sprachen von Mangel an Zeit und von der<br />

Kürze des Lebens, und beschämten damals meine Unvernunft etwa so schwer, wie<br />

man eine empfindsame und verletzliche Seele zu beschämen vermag.<br />

Ich hindere Sie heute zum drittenmal, eine Ihrer kostbaren Sommerstunden<br />

zu nutzen. Gereifter und wohl auch geklärter in der Zucht einer harten Zeit, grüße<br />

ich in Ihnen nichtmehr den Poeten Ihrer Jugendgedichte noch den Schöpfer des<br />

Träumers und Wanderers Knulp. Was unsereinem (verzeihen Sie die Zusammenfassung)<br />

von solcher Frühlingssonne bleibt, ist ja doch nur eine unerbittlichere<br />

Wandersehnsucht und nacktere Unrast. Die tiefste Erschütterung, die ich je durch<br />

ein Buch erfahren habe, erwuchs mir aus Ihrem „Klingsor“; dem Dichter dieses<br />

erbarmungslosen Grauens buntester Überfülle (der einsamen Zirkusfahne im harten<br />

Himmel) gilt meine heutige Dedikation.<br />

Alles einmal Gedruckte liegt (wohl nicht nur bei mir) unendlich weit zurück<br />

und ist trostlos gestrig; so wird Ihnen auch mein Versband den Inhalt dieser Zeilen<br />

und mein Weltgefühl nur dürftig widerzuspiegeln vermögen.<br />

Mitteilung ist uns allen versagt; wir reden mittelbar und verspätet, und den<br />

erkalteten Schrei hört nicht der, den es angeht.<br />

Robert Neumann<br />

„Mein Versband“ ist wohl: „Zwanzig Gedichte“ (Kassel: 1923).<br />

Auf der Sache nach Anerkennung als „Dichter“ wirbt RN in diesen Jahren nachdrücklich<br />

um den Zuspruch Hermann Hesses, ermutigt durch dessen Zeitschrift „In vivos<br />

voco“.<br />

Die schwärmerische Jugendliebe zu Hesses „immer wieder gelesener“ Erzählung<br />

„Klingsors letzter Sommer“ bewahrt sich RN zeitlebens; in einem Dankbrief für einen<br />

zugeschickten Lyrikband schreibt RN: „Hätten Sie nichts geschrieben als ihn – Sie<br />

wären dadurch allein schon der Bedeutendsten und (was mehr ist) der Liebenswertesten<br />

einer.“ (Brief vom 9.6.1930, SLA Hesse).<br />

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