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StudienVerlag - Oapen

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Von Ferencz Körmendi<br />

New York, 9.4.1947<br />

Ms. m. U., ÖNB<br />

Lieber Neumann,<br />

[…] Wissen Sie schon, wann ungefaehr „Children of Vienna“ in New York aufgeführt<br />

wird?<br />

Hier möchte ich mit einigen Worten noch auf dieses Buch zurückkommen.<br />

Sie wissen bestimmt, dass ich Ihnen nicht Schönes sagen will nur um Schönes zu<br />

sagen. Ihre „Children“ aber haben auf uns beide einen ausserordentlich grossen<br />

Eindruck gemacht. Vor allem mit der unerhörten Freiheit, mit der Sie das Thema<br />

angegriffen haben. Es ist selten einem Romancier gelungen, eine epische Episode<br />

in eine solche dramatische Form zu konzentrieren. Die Einfachheit, mit der Sie das<br />

Ungeheuere behandeln, ist einfach meisterhaft. Nun ist es mir, waehrend ich das<br />

Buch las, eingefallen, dass Sie vor vielen Jahren einmal, als Sie über eines meiner<br />

Bücher zu mir sprachen, hatten Sie so wohltuende Worte der Anerkennung „des<br />

Epischen“ gefunden, bemaengelten aber „das Daemonische.“ In „Children“ haben<br />

Sie nun wirklich ein Beispiel vom Daemonischen gegeben. […]<br />

Schliesslich etwas über den Styl. Es ist ja ein verdammtes Problem, in welcher<br />

Sprache die aus dem eigenen Boden herausgeworfenen oder herausgewachsenen<br />

Schriftsteller schreiben sollen – beziehungsweise schreiben können. […] Sie haben<br />

auch in dieser Frage eine ganz individuelle Lösung gefunden. Ihr Englisch ist einfach<br />

eine Arroganz – aber eine nicht nur fascinierende, sondern tief überzeugende<br />

Arroganz. So überzeugend, dass ich [mir] Ihren Roman in keiner anderen Sprache<br />

und besonders keinem anderen englischen Styl vorstellen könnte als wie Sie ihn<br />

geschrieben haben. […]<br />

RN und der gebürtige Ungar Körmendi kennen sich seit den 1930er Jahren. Anlass für<br />

ihren Briefwechsel 1947 ist die Übersetzung eines Romans von Körmendi, der 1948<br />

unter dem Titel „That One Mistake“ bei Hutchinson erscheint.<br />

In seinen literaturkritischen Texten hat RN „das Dämonische“ lediglich in seinem<br />

Aufsatz „Abschied von Stefan Zweig“ (1961) als rühmende Vokabel benutzt. – Es ist<br />

durchaus wahrscheinlich, dass RN „Die Theorie des Romans“ von Georg Lukács studiert<br />

hat, die – unter Berufung auf Goethe – postuliert: Das „Auseinanderklaffen von<br />

Innerlichkeit und Abenteuer“ sei konstitutiv für den Roman: „die Psychologie des<br />

Romanhelden ist das Wirksamkeitsgebiet des Dämonischen“. (Siehe dazu den Briefwechsel<br />

mit Lukács im Jahre 1966.)<br />

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