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StudienVerlag - Oapen

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Von Veza Canetti<br />

London, 20.9.[1946]<br />

Ms. m. U., ÖNB<br />

Lieber Robert Neumann,<br />

Ihre Bescheidenheit ist wirklich rührend, wenn Sie glauben, auf der Geschichte<br />

mit dem lieben Neger geruht [sic] der Wert Ihres Romans. Die Einfühlung in die<br />

greisenhaften Kinder sind [sic] natürlich das Grosse daran und gerade das dürfte<br />

man Ihnen nachgemacht haben, denn ich las die Beschreibung Ihrer Kinder (aus<br />

Wien) in einer anderen Kritik ich glaube im Standard. Damit Sie’s wissen, das<br />

Nazi-Mädchen, das immer die Erste war und der erstarrte Junge sind die Werte<br />

in Ihrem Buch.<br />

Bitte verzeihen Sie meine Dreistigkeit und die besten Wünsche<br />

Veza<br />

Auf einem gesonderten Blatt findet sich ein „REPORT über Robert Neumann“ von<br />

Veza Canetti: „Abgesehen von dem hohen künstlerischen Rang seiner Romane (und<br />

gerade der in England geschriebenen) ist sein ‚Children of Vienna‘ eine TAT – nur mit<br />

den ‚Reflexions Sur La Question Juive‘ von Sartre zu vergleichen. Das Buch ist deshalb<br />

eine ‚Tat‘, weil es geboren ist und nicht einen Augenblick ist eine Tendenz ersichtlich,<br />

denn es ist wie ein Kunstwerk ohne Tendenz geschrieben. Vielleicht lacht mich der<br />

Autor insgeheim aus – aber dies ist die Empfindung des kritischen Lesers „ (J. P. Sartres<br />

„Reflexions Sur La Question Juive“ sind 1946 erschienen.)<br />

Ganz anders Klara Blum: Sie sendet RN ein Gedicht („Paris und Brazzaville“) – mit der<br />

Widmung: „Für Robert Neumann, der sich seinen Negerhelden nicht wegzensurieren<br />

ließ“. (Undatiert, ÖNB). – Die jüdische Sozialistin Klara Blum und RN kannten sich<br />

wahrscheinlich aus Wien; Blum ging 1947 in die nachmalige VR China; arbeitete da als<br />

Germanistik-Professorin, sie starb 1971 (als chinesische Bürgerin Zhu Bailan) in Kanton.<br />

Eine sehr emotionale Zuschrift kommt von „Ihrer Alma“ Mahler-Werfel („6. Jan.“ [1947],<br />

ÖNB): „Aus purer Feigheit habe ich Ihr Buch nicht früher gelesen – habe Angst gehabt<br />

vor – Na – Sie wissen schon ‚Schmeisst ihn hinaus, er bricht mir das Herz‘! – [und?] bin<br />

jetzt begeistert. Es spielt gleichzeitig auf so vielen Ebenen – eine davon eine Mäd chenebene<br />

– dass es mir ‚auch‘ grässlich ist. Ich glaube, Sie sind der einzige Schriftsteller,<br />

von dem ich ein Buch über Konzentrationslager lesen würde. […]“<br />

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